Verfahrensgang

LG Dresden (Entscheidung vom 06.07.2010; Aktenzeichen 3 O 1066/10 EV)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 6.7.2010 - 3 O 1066/10 EV - durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren soll auf 10.000,00 EUR festgesetzt werden.

 

Gründe

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da er davon überzeugt ist, dass sie keine Aussicht auf Erfolg und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch das Berufungsgericht nicht erfordert. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zutreffend abgelehnt. Der Verfügungsklägerin (Klägerin) steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 2 i.V.m. § 186 StGB, § 1004 BGB nicht zu.

1. Ob - wie das Landgericht angenommen hat - ein solcher Anspruch an der für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr scheitert, kann hierfür dahinstehen, weil es bereits an dem für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund im Sinne des § 940 ZPO fehlt. Das Verhalten der Klägerin im Berufungsverfahren lässt erkennen, dass sie ihrem Antrag keine besondere Dringlichkeit mehr beimisst (sog. Selbstwiderlegung). Eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, die zum Wegfall des Verfügungsgrundes führt, kommt auch bei Unterlassungsbegehren in Betracht, die nicht unter die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG fallen. Es ist allgemein anerkannt, dass ein Verfügungsgrund fehlt, wenn der Antragsteller trotz eines ursprünglich bestehenden Regelungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat, bevor er eine einstweilige Verfügung beantragt (vgl. etwa OLG Celle, MDR 2009, 347; Senat, Beschluss vom 4.10.2006 - 4 U 1151/06 -; Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 940 Rn. 4; Musielak/Ball, ZPO, 6. Aufl., § 940 Rn. 5). In gleicher Weise kann die Dringlichkeit verloren gehen, wenn der Antragsteller das von ihm eingeleitete Verfahren nicht zügig, sondern lediglich schleppend betreibt (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. Kap. 54 Rn 24 m.w.N.). Dem Betroffenen ist es zuzumuten, auch nach Einleitung eines Verfahrens alles in seiner Macht stehende dafür zu tun, dass das Eilverfahren nicht zu einem "Ersatz" für das Hauptsacheverfahren gemacht wird (vgl. hierzu Senat, aaO. Schuschke, ZAP 2000 Fach 14 S. 361ff). Hiernach ist er gehalten eine eingelegte Berufung grundsätzlich innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu begründen (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 31) und nicht durch eigene Fristverlängerungsanträge oder Säumnis im Termin das Verfahren zu verzögern (Teplitzky, aaO. Rn 24); eines Hinweises hierauf bedarf es nicht. Vorliegend hat die Klägerin jedoch nicht nur die Berufungsfrist nahezu vollständig ausgeschöpft, sondern die Berufung auch erst am 22.9.2010 begründet, obwohl ihr das Urteil des Landgerichts bereits am 14.7.2010 zugestellt worden war.

2. Ein Unterlassungsanspruch ist aber auch in materieller Hinsicht nicht gegeben. Streitgegenstand ist vorliegend allein die Frage, ob ein Unterlassungsanspruch in Bezug auf die in dem Artikel erwähnte Verurteilung "wegen Betruges" aus §§ 823, 1004 BGB besteht. Diese Frage ist zu verneinen. Die Berichterstattung der Verfügungsbeklagten (Beklagten) über eine Verurteilung der Klägerin wegen Betruges statt wegen progressiver Kundenwerbung nach § 16 UWG greift nicht in deren durch § 823 BGB geschütztes allgemeines Persönlichkeitsrecht ein.

Entgegen der Auffassung der Beklagten beinhaltet die in dem Artikel vom 10.4.2010 enthaltene Aussage "2009 wurde sie wegen Betrugs vom Landgericht Leipzig zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt" allerdings keine Meinungsäußerung, sondern eine unwahre Tatsachenbehauptung. Es handelt sich hierbei ersichtlich nicht um eine unzutreffende rechtliche Subsumtion, sondern um die Mitteilung eines Umstandes, der im Beweiswege, nämlich durch Einsicht in die zugrunde liegenden Strafakten, überprüft werden kann. Auch im Kontext des Artikels, der an anderer Stelle darauf hinweist, "die Blondine" betreibe "ihr Schneeballsystem" weiter, ist für den maßgeblichen Leserkreis nicht erkennbar, dass damit im Widerspruch zu der vorausgegangenen Mitteilung die Verurteilung der Klägerin wegen eines Verstoßes gegen das UWG gemeint sein könne oder dass die Mitteilung, die Klägerin sei "wegen Betruges verurteilt" nur im untechnischen, laienhaften Sinne ein Verhalten bezeichne, bei dem die Klägerin Kunden getäuscht habe. Nimmt man zugunsten der Beklagten an, dass die Äußerung im Kontext des gesamten Artikels in diesem Sinne mehrdeutig ist, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht (BVerfG NJW 2006, 207 - Stolpe) bei der Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des durch eine Äußerung Betroffenen und der Pressefreiheit zu...

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