Leitsatz (amtlich)
Eine Urlaubsreise entbindet den Zeugen grundsätzlich nicht von seiner Pflicht, zur Vernehmung vor Gericht zu erscheinen.
Ein Zeuge, der zur Vernehmung in der Hauptverhandlung nicht erscheint, nachdem er durch das Gericht nicht davon unterrichtet worden ist, dass sein Entschuldigungsvorbringen nicht ausreiche, befindet sich nicht in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum.
Das Verfahren über die Folgen des Ausbleibens kann in entsprechender Anwendung des § 153 StPO ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der festgesetzten Ordnungsmittel eingestellt werden, wenn sich das Verschulden als gering darstellt und der Verstoß gegen das Erscheinungsgebot prozessual folgenlos geblieben ist.
Die Einstellung des Verfahrens erfasst nicht die Kostenüberbürdung.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Entscheidung vom 17.04.2014; Aktenzeichen 3 Ns 660 Js 8088/13) |
Tenor
1. Das Verfahren über die Folgen des Ausbleibens gegen den Zeugen M. wird entsprechend § 153 StPO eingestellt, soweit gegen den Zeugen Ordnungsgeld und im Falle der Nichtbeitreibung Ordnungshaft festgesetzt worden ist.
2. Die Beschwerde des Zeugen gegen den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 17. April 2014 wird als unbegründet verworfen, soweit dem Zeugen die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt worden sind.
3. Soweit das Verfahren über die Ordnungsmittel eingestellt worden ist, werden die Kosten sowie die dem Zeugen insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Landgericht Chemnitz hatte den ebenfalls in Chemnitz wohnhaften M. mit Verfügung vom 21. Januar 2014 als Zeugen zur Berufungshauptverhandlung am 17. April 2014 geladen. Mit Schreiben vom 13. März 2014 teilte der Zeuge mit, dass er den Termin nicht wahrnehmen könne, weil er sich vom 6. bis zum 18. April 2014 im Urlaub befinde. Die Geschäftsstelle des Landgerichts forderte daraufhin am 19. März 2014 auf Veranlassung des Vorsitzenden eine Buchungsbestätigung des Zeugen an und erinnerte daran nochmals am 2. April 2014. Am darauffolgenden Tag ging ein Schreiben des Zeugen vom 25. März 2014 ein, in dem er mitteilte, dass er innerhalb Deutschlands verschiedene Orte bereise und deshalb keine Buchungsbestätigung vorlegen könne und darum bat, ihm einen anderen Termin zu ermöglichen. Eine Antwort des Gerichts auf dieses Schreiben unterblieb.
In der Hauptverhandlung am 17. April 2014 erschien der Zeuge nicht. Der Vorsitzende gab den mit dem Zeugen geführten Schriftwechsel bekannt. Am Ende der Sitzung beschloss die Strafkammer, dem Zeugen die durch sein Ausbleiben entstandenen Kosten sowie ein Ordnungsgeld in Höhe von 800 EUR und im Falle der Nichtbeitreibung drei Tage Ordnungshaft aufzuerlegen. Die Sitzung wurde unterbrochen und ein Fortsetzungstermin für den 5. Mai 2014 bestimmt. Zu diesem Termin wurden der Zeuge M. sowie auf Anregung des Verteidigers zwei weitere Zeugen geladen. Zum Fortsetzungstermin erschien der Zeuge und sagte aus.
Gegen den Beschluss richtet sich der Zeuge M. mit der Beschwerde. Ein Erscheinen zum Termin am 17. April 2014 hätte eine Unterbrechung der Reise sowie eine Rückfahrt zwischen Schwerin und Chemnitz bedeutet und wäre neben dem unterbrochenen Erholungseffekt mit erheblichen Mehrkosten verbunden gewesen.
Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Beschwerdeführer habe keine Anstalten getroffen, die von ihm vorgetragene Ortsabwesenheit auch nur ansatzweise zu belegen. Selbst wenn man seinen Vortrag als wahr unterstelle, wäre es ihm zumutbar gewesen, den Termin in seinen Urlaub einzuplanen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Beschwerde aus den zutreffenden, durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Gründen des angefochtenen Beschlusses und der Nichtabhilfeentscheidung als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gemäß § 304 StPO zulässige Beschwerde (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 57. Aufl. § 51 Rdnr. 28) erweist sich als unbegründet, soweit sie sich gegen die Auferlegung der durch das Ausbleiben entstandenen Kosten richtet. Im Übrigen führt sie zur Einstellung des Ordnungsmittelverfahrens in entsprechender Anwendung des § 153 StPO.
1.
Die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung des Ordnungsmittels konnte nicht gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 StPO unterbleiben, weil der Zeuge sich zwar rechtzeitig, aber nicht genügend entschuldigt hat. Der Zeuge hat sich auch nicht nachträglich genügend entschuldigt (§ 51 Abs. 2 Satz 3 StPO).
Die Pflicht eines Zeugen, vor Gericht zu erscheinen, ist eine von der Strafprozessordnung vorausgesetzte allgemeine Staatsbürgerpflicht, bei deren Nichterfüllung § 51 StPO verfassungsrechtlich unbedenklich die Möglichkeit gibt, dem ordnungsgemäß geladenen und nicht genügend entschuldigten Zeugen die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten aufzuerlegen und gegen ihn ein Ordnungsgeld festzusetzen (BVerfG NJW 2002, 955 m.w.N.).
Private und berufliche Pflichten haben gegenüber dieser staatsbürgerlichen Pfli...