Leitsatz (amtlich)

1. Zur Haftungsverteilung bei einer Kollision zwischen einem auf der Vorfahrtstraße fahrenden Pkw, der nach rechts blinkt, dann aber weiter geradeaus fährt, und dem nach links auf die Vorfahrtstraße auffahrenden Wartepflichtigen.

2. Das Setzen des rechten Blinkers begründet allein noch kein Vertrauen, dass der Blinkende auch tatsächlich abbiegt. Erforderlich ist darüber hinaus eine erkennbare, deutliche Geschwindigkeitsverringerung des Vorfahrtberechtigten, eine sichtbare Orientierung des Blinkenden nach rechts oder sonstige ausreichende Anzeichen für ein tatsächlich bevorstehendes Abbiegen des Vorfahrtberechtigten.

3. Regelmäßig überwiegt in solchen Fällen der Haftungsanteil des Wartepflichtigen (Anschluss an OLG Hamm, Urt. v. 11.3.2003 - 9 U 169/02, NJW-RR 2003, 975 und OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.3.2008 - 4 U 228/07, NJW-RR 2008, 1611), der allein auf das Blinken vertraut (hier 70:30 zu Lasten des Wartepflichtigen). (Anm. d. Senats: Die Berufung wurde nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen.)

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 6 O 1731/12)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings kostensparend die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.4.2014 wird deshalb aufgehoben; die Parteien sind abzuladen.

 

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Das angefochtene Urteil ist im Ergebnis zutreffend von einer Haftungsverteilung von 70:30 zu Lasten des Klägers ausgegangen. Dessen Berufung vermag Rechtsfehler oder aber eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung zu seinen Ungunsten nicht aufzuzeigen.

Der Senat folgt der in der jüngeren obergerichtlichen Rechtsprechung zum Verkehrsunfallrecht vorherrschenden Auffassung, dass der Wartepflichtige nicht ohne weiteres auf ein Blinken des Vorfahrtberechtigten vertrauen darf. Dabei geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass ihm, wie allerdings von der Anschlussberufung in Zweifel gezogen, der Nachweis geglückt ist, dass die Beklagte zu 1 rechts blinkte, als sie auf der bevorrechtigten Straße weiter geradeaus fuhr.

Wie das OLG Saarbrücken in einer jüngeren Entscheidung (Urt. v. 11.3.2008 - 4 U 228/07, NJW-RR 2008, 1611), auf die auch das angefochtene Urteil abstellt, ausgeführt hat, ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich der Wartepflichtige auf ein das Abbiegen anzeigendes Blinksignal des Vorfahrberechtigten verlassen kann, nicht einheitlich beantwortet worden.

Während die eine Auffassung darauf abstellt, dass der Wartepflichtige grundsätzlich auf das angekündigte Abbiegen vertrauen darf (etwa Hentschel/König/Dauer, StVR, 42. Aufl., § 8 StVO Rz. 54 m.w.N.; BGH, Urt. v. 28.5.1974 - 4 StR 37/74, NJW 1974, 1572; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.6.1966 - (1) Ss 150/66, juris, solange nicht konkrete Zweifel an dieser Abbiegeabsicht begründet sind), folgt der weit überwiegende Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung der Auffassung, dass der Wartepflichtige nur dann auf ein Abbiegen vertrauen darf, wenn über das bloße Betätigen des Blinkers hinaus in Würdigung der Gesamtumstände, sei es durch eine eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit oder aber einen zweifelsfreien Beginn des Abbiegemanövers eine zusätzliche tatsächliche Vertrauensgrundlage geschaffen worden ist, die es im Einzelfall rechtfertigt, davon auszugehen, das Vorrecht werde nicht (mehr) ausgeübt (OLG Saarbrücken, a.a.O.; OLG Hamm, Urt. v. 11.3.2003 - 9 U 169/02, NJW-RR 2003, 975; OLG Celle, Urt. v. 22.2.1996 - 5 U 71/95, juris; KG, Urt. v. 13.1.1992 - 12 U 5054/90, juris; OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.5.1992 - Ss 130/92, NJW 1993, 149; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.3.1992 - 1 U 99/91, OLGR 1992, 189; OLG Hamm, Beschl v. 22.3.1991 - 2 Ss OWi 230/91, juris; KG, Urt. v. 29.9.1989 - 12 U 4646/88, juris; OLG Saarbrücken, Urt. v. 2.10.1981 - 3 U 109/80, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 13.11.1980 - 3 Ss OWi 2478/80, juris; ausdrücklich offen gelassen von OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.6.1976 - 12 U 135/75, juris; ebenso jetzt wohl auch: OLG München, Urt. v. 6.9.2013 - 10 U 2336/13, SVR 2014, 10); der Wartepflichtige darf also niemals "blindlings" (so OLG Koblenz, Urt. v. 3.4.1995 - 12 U 761/94, juris) auf das Abbiegen des Blinkenden vertrauen. Das von der Berufung angeführte Urteil des OLG München vom 19.9.1998 ist mangels korrekter Zitierung nicht auffindbar (jedenfalls unter Juris findet sich unter diesem Datum nu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge