Leitsatz (amtlich)
Wird ein Streit der Eltern über sorgerechtliche Angelegenheiten unter anwaltlicher Mitwirkung beigelegt, so kann eine Einigungsgebühr auch dann anfallen, wenn die von den Beteiligten erarbeitete Verständigung überdies vom Familiengericht als dem Kindeswohl entsprechend angesehen werden muss, damit die Einigung verfahrensbeendend wirken kann.
Verfahrensgang
AG Dresden (Entscheidung vom 08.01.2008; Aktenzeichen 306 F 1798/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Staatskasse vom 10.01.2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dresden vom 08.01.2008 - 306 F 1798/05 - wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig (§ 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG), bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung des Familiengerichts, dass dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers die beantragte und festgesetzte Vergütung auch hinsichtlich der Einigungsgebühr gem. Nr. 1003, 1000 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG zusteht.
1.
Die nicht zusammenlebenden Parteien hatten für ihr gemeinsames nichtehelich geborenes, aber unter gemeinsamer elterlicher Sorge stehendes Kind wechselseitig Anträge auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gestellt. Nachdem Gespräche mit dem Jugendamt dazu geführt hatten, dass die Umgangskontakte des überwiegend beim Antragsteller lebenden Jungen zur Antragsgegnerin wieder intensiviert wurden, haben die Parteien dieses Verfahren zunächst (jedenfalls de facto) ruhen lassen. Die Antragsgegnerin hat ihren Antrag schließlich zurückgenommen, ist aber dem - ausdrücklich aufrechterhaltenen - Antrag des Kindesvaters weiterhin entgegegetreten. Nachdem in einem parallelen Umgangsverfahren (306 F 201/06 AG Dresden) sodann eine förmliche Umgangsvereinbarung getroffen worden war, haben sich die Beteiligten hier aus Anlass einer gerichtlichen Anhörung vom gleichen Tage darauf verständigt, dass es insgesamt bei der gemeinsamen elterlichen Sorge für das betroffene Kind (einschließlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts) bleiben und der Junge seinen Lebensmittelpunkt weiterhin beim Antragsteller haben solle. Im Hinblick darauf haben die Parteien das Sorgerechtsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.
2.
Bei dieser Sachlage ist durch das Verhandlungsprotokoll glaubhaft gemacht, dass die geltend gemachte Einigungsgebühr entstanden ist. Die Parteien lagen bis zum abschließenden Termin vom 04.07.2007 jedenfalls über das bis dahin aufrechterhaltene Begehren des Antragstellers nach Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn im Streit; diesen Streit haben sie im vorgenannten Termin unter Mitwirkung der Anwälte beigelegt, so dass die Einigungsgebühr nach Nr. 1003, 1000 VV RVG verdient ist.
Dem steht zunächst nicht entgegen, dass die Parteien ihre Verständigung nicht in die äußere Form eines Prozessvergleichs gekleidet und damit auch keinen vollstreckungsfähigen Titel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geschaffen haben; denn darauf kommt es nach dem Gebührentatbestand im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, der die frühere Vergleichsgebühr inhaltlich erweitert, nicht mehr an (vgl. BGH JurBüro 2007, 411). Maßgeblich ist allein die streitbeendende Einigung, solange sie nicht ausschließlich in einem Anerkenntnis oder Verzicht besteht. Danach kann eine Einigungsgebühr zwar nicht entstehen, wenn eine Verständigung der Beteiligten nach der Natur des Streitgegenstands eine Streitbeendigung gar nicht herbeiführen kann (siehe Anmerkung 4 zu Nr. 1000 VV RVG; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, Rn. 3 zu Nr. 1000 VV), etwa in Statusangelegenheiten. Diese Einschränkung gilt aber zumindest nicht allgemein für Sorgesachen (vgl. etwa OLG Dresden - 21. Zivilsenat -, Beschluss vom 22.01.2008, 21 WF 256/07). Der vom Beschwerdeführer für seine Auffassung in Anspruch genommene Beschluss des OLG Koblenz (FamRZ 2006, 720) betrifft einen Anwendungsfall des § 1666 BGB, der mit der hier zu beurteilenden Konstellation nicht vergleichbar ist. Demgegenüber weist schon § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB darauf hin, dass den Beteiligten auch in Sorgesachen eine begrenzte Dispositionsbefugnis zustehen kann. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass bei Elternstreitigkeiten über sorgerechtliche Aspekte allgemein eine von den Beteiligten gemeinsam erarbeitete und getragene einvernehmliche Lösung dem regelungsbedürftigen Konflikt erfahrungsgemäß am ehesten gerecht wird; dem Einigungscharakter dieser Lösung tut es dann keinen Abbruch, dass sie unter Beteiligung des Gerichts zustande gekommen ist und ggf. auch von diesem als sachgerecht angesehen werden muss, damit die Verständigung verfahrensbeendend wirken kann und eine gerichtliche Sachentscheidung entbehrlich ist.
Im vorliegenden Fall hindert es die Annahme einer - auch im gebührenrechtlichen Sinne - wirksamen Einigung schließlich nicht, dass sie im Ergebnis "nur" den ursprünglichen Zustand vor Beginn des Streits der Beteiligten wiederhergestellt hat; denn das ändert nichts daran, dass die Parteien über eben diesen Zustand zwischenzeitlich in St...