Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgerechtsübertragung bei Gleichgültigkeit eines Elternteils
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Annaberg (Aktenzeichen 3 F 60/01) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG – FamG – vom 23.10.2001 wie folgt abgeändert:
Die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder der Parteien, …, geboren am 8.6.1989, und …, geboren am 9.1.1991, wird der Antragstellerin übertragen.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Der Antragsgegner hat die der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.556,46 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die elterliche Sorge für ihre gemeinsamen Kinder.
Die Parteien leben seit Mitte 2000 getrennt voneinander. Aus der Ehe sind die Kinder … geboren am 8.6.1989, und …, geboren am 9.1.1991, hervorgegangen, die seit der Trennung bei der Antragstellerin leben.
Die Antragstellerin beantragte erstinstanzlich, ihr das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder zu übertragen.
Sie vertrat erstinstanzlich die Auffassung, eine Beibehaltung der elterlichen Sorge käme nicht in Betracht, da die Parteien nicht in der Lage seien, sich zu den Belangen der Kinder zu verständigen.
Der Antragsgegner beantragte erstinstanzlich, die Anträge zurückzuweisen, da aus seiner Sicht Verständigungsprobleme nicht vorlägen. Das AG – FamG – … hat mit Beschl. vom 23.10.2001 die Anträge der Antragstellerin zurückgewiesen. In der Begründung führte es an, dass es zwischen den Parteien in der Vergangenheit keinerlei Probleme bei der Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts gegeben habe und allein das Desinteresse des Antragsgegners keine Sorgerechtsübertragung auf die Antragstellerin rechtfertige.
Gegen diesen Beschluss legte die Antragstellerin form- und fristgerecht Beschwerde ein.
Sie trägt vor, aufgrund der mangelnden Kommunikation zwischen dem Antragsgegner und ihr könne es nicht bei der gemeinsamen Sorge belassen werden. Der Antragsgegner sei an den Kindern nicht interessiert. Dies werde besonders dadurch deutlich, dass er keinen Kindesunterhalt zahle.
Sie beantragt, den Beschl. des AG – FamG – … vom 23.10.2001 aufzuheben und ihr das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder zu übertragen.
Der Antragsgegner hat in der Anhörung durch die beauftragte Richterin der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf die Antragstellerin zugestimmt. Darüber hinaus beantragt er, die Beschwerde i.Ü. zurückzuweisen.
Er trägt vor, auch nach der Trennung die Verantwortung über die Erziehung der Kinder tragen zu wollen.
II. Die gem. § 621e Abs. 1, Abs. 3 ZPO zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg.
Gemäß § 1671 Abs. 2 BGB kommt die Aufhebung der gemeinsamen Sorge in Betracht, wenn der andere Elternteil der Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil zustimmt oder die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil allein dem Wohl der Kinder am besten entspricht.
Aufgrund der Anhörung der Parteien und der Kinder ist der Senat nach Abwägung aller Umstände zu der Auffassung gelangt, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge auf die Antragstellerin dem Wohl der Kinder am besten entspricht.
Die Neuregelung des Rechtes der elterlichen Sorge in § 1671 BGB durch das Kindschaftsreformgesetz enthält kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in diesem Sinne, dass eine Priorität zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als Ultima ratio in Betracht kommen sollte (BGH, Beschl. v. 29.9.1999 – XII ZB 3/99, FamRZ 1999, 1646 f.). Dabei sind die Voraussetzungen für die gemeinsame elterliche Sorge vor den Voraussetzungen der Alleinsorge zu prüfen. Letzteres ist die Konsequenz der Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts (Oelkers MDR 2000, 32). Die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge entspricht dem Wohl der Kinder am besten, wenn die Eltern nicht mehr die Fähigkeit und Bereitschaft aufbringen können, in den Angelegenheiten der Kinder zu deren Wohl zu kooperieren (BGH, Beschl. v. 29.9.1999 – XII ZB 3/99, FamRZ 1999, 1646 f., OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.4.1999 – 6 UF 244/98, OLGReport Düsseldorf 1999, 340 = FamRZ 1999, 1157; KG FamRZ 1999; OLG Nürnberg, NJW 1999, 56; OLG Dresden, Beschl. v. 23.10.1998 – 20 UF 397/98, FamRZ 1999, 324; OLG Köln FamRZ 2001, 183; OLG Hamm FamRZ 2001, 183). Jedoch reichen Meinungsverschiedenheiten in einzelnen Angelegenheiten oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten nicht ohne weiteres aus, um das gemeinsame Sorgerecht aufzuheben (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.4.1999 – 6 UF 244/98, OLGReport Düsseldorf 1999, 340 = FamRZ 1999, 1157). Hat es jedoch in der Vergangenheit keinerlei Kommunikation und ...