Entscheidungsstichwort (Thema)

Vaterschaftsfeststellungsverfahren: Erforderlichkeit der Anwaltsbeiordnung im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist nicht erforderlich in einem einfach gelagerten Vaterschaftsfeststellungsverfahren ohne Besonderheiten, bei dem das bloße Vorbringen, man vermute Mehrverkehr, auch ein juristischer Laie ohne weiteres selbst vorbringen kann.

 

Normenkette

FamFG § 78 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Pirna (Beschluss vom 22.04.2010; Aktenzeichen 34 F 17/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen Nr. 2 des Beschlusses des AG - Familiengericht - Pirna vom 22.4.2010 - 34 F 17/10, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der im August 2009 geborene Beteiligte zu 1, vertreten durch das Landratsamt, hat mit Schriftsatz vom 7.1.2010 beim AG - Familiengericht - Pirna die Feststellung beantragt, dass der Beteiligte zu 3 und Beschwerdeführer sein Vater sei. Er hat vorgetragen, seine Mutter, die Beteiligte zu 2, habe mit dem Beteiligten zu 3 während der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt.

Der anwaltlich vertretene Beteiligte zu 3 hat beantragt, den Antrag des Antragstellers auf Feststellung der Vaterschaft abzuweisen. Er habe sich von der Antragstellerin im Januar 2009 getrennt. Es werde zunächst nicht bestritten, dass er der Beteiligten zu 2 in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt habe. Dem Antragsgegner verblieben allerdings Zweifel, ob er wirklich der Vater sei.

Das AG hat dem Beteiligten zu 3 mit Beschluss vom 22.4.2010 Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt, die Beiordnung eines Rechtsanwaltes allerdings abgelehnt. Mit Beweisbeschluss vom selben Tage hat es die Einholung eines Abstammungsgutachtens angeordnet.

Gegen die Nichtbeiordnung eines Rechtsanwalts wendet sich der Beteiligte zu 3 mit seiner Beschwerde. In Abstammungsverfahren sei wegen der tatsächlichen Schwierigkeiten und der existentiellen Bedeutung generell eine anwaltliche Beiordnung geboten. Das antragstellende Kind sei durch das Jugendamt als Beistand vertreten. Würde man dem Beteiligten zu 3 die Beiordnung eines Rechtsanwalts verweigern, würde der Grundsatz der Waffengleichheit nachhaltig verletzt.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das AG hat die Beiordnung eines Rechtsanwalts zu Recht abgelehnt.

Ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt nach Wahl des Verfahrenskostenhilfeberechtigten wird beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint (§ 78 Abs. b2 FamFG).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die genannte Vorschrift ist mit dem FamFG neu eingeführt worden. Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus (Bundesrats-Drucksache 309/07, S. 471):

"Die Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Ausschlaggebend für die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist hierbei ausschließlich die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage. Die Schwere des Eingriffs in die Rechte eines Beteiligten erfüllt dagegen die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Basis der Verfahrenskostenhilfe regelmäßig nicht."

Entgegen der bisherigen Rechtslage (vgl. BGH, Beschl. v. 11.9.2007, XII ZBb27/07, FamRZ 2007, 1968) kommt es nach der Neufassung des Gesetzes auf die existenzielle Bedeutung der Sache nicht an. Nach dem Wortlaut des § 78 Abs. 2 FamFG und der bereits zitierten Gesetzesbegründung ist allein entscheidend, ob die Sach- und Rechtslage so schwierig ist, dass die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Auf die existentielle Bedeutung ist nicht mehr abzustellen (BGH, Beschl. v. 23.6.2010 - XII ZB 232/09, juris Rz. 19; a.A. OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.12.2009 5 WF 267/09, juris, Rz. 2). Die rein existenzielle Bedeutung eines Verfahrens zwingt auch verfassungsrechtlich nicht zur Bestellung eines Rechtsanwalts (BVerfG 2. Senat 3. Kammer, Beschluss vom 6.7.2009, 2 BvR 703/09, juris, für die Ablehnung einer Bestellung eines Verteidigers im Verfahren zur jährlichen Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach §§ 67d Abs. 2, 67e Abs. 2 StGB.) 10Auch der Grundsatz der Waffengleichheit gebietet nicht mehr regelmäßig die Beiordnung eines Anwalts. Dieser Grundsatz ist für die Amtsermittlungsverfahren des FamFG ausdrücklich vom Gesetzgeber aufgegeben worden (Bundesrats-Drucksache 309/7, S. 472), indem die entsprechende Passage des § 121 Abs. 2 ZPO nicht in § 78 Abs. 2 FamFG übernommen wurde. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine schwierige Sach- oder Rechtslage vorliegt, kann der Gesichtspunkt aber berücksichtigt werden (BGH, Beschl. v. 23.6.2010 - XII ZB 232/09, juris Rz. 17).

Bei der Auslegung und Anwendung der einfach-rechtlichen Vorschriften über die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG keine vollständige Gleichheit Unbemittelter, sondern nur eine weitgehende Angleichung ge...

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