Leitsatz (amtlich)
Sogenannte "Verhinderungsblockaden" sind auch dann grundsätzlich als missbräuchliche Inanspruchnahme der Versammlungsfreiheit rechtswidrig, wenn mit der Verhinderungsabsicht eine Meinungskundgabe verbunden ist.
Verfahrensgang
AG Dresden (Entscheidung vom 07.04.2014; Aktenzeichen 217 Cs 205 Js 7534/12) |
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 07. April 2014 wird als unbegründet
v e r w o r f e n ,
weil die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Dresden hat den Angeklagten mit Urteil vom 07. April 2014 wegen der Störung von Aufzügen zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 150,00 EUR verurteilt.
Hiergegen hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger form- und fristgerecht (Sprung-)Revision eingelegt und diese mit der Sachrüge begründet.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
1.
Das Amtsgericht hat die Verurteilung des Angeklagten wegen der Störung von Aufzügen auf folgenden Sachverhalt gestützt:
Der Angeklagte suchte am 19. Februar 2011 kurz vor 14:30 Uhr die Kreuzung Fritz-Löffler-Straße/Reichenbachstraße in 01009 Dresden auf. Er schloss sich einer Gruppe von insgesamt 1.700 Personen, die sich mitten auf der Kreuzung angesammelt hatte, an. Ihm war bewusst, dass er mit den übrigen Teilnehmern die Kreuzung vollständig blockierte, die damit für den Aufzug der an dem Tag für den Zeitraum von 12:00 bis 17:00 Uhr genehmigten Neonazi-Demonstration "Für ein freies Land mit freien Menschen" nicht mehr passierbar war. Dass die Kreuzung Teil der Aufzugsstrecke der genehmigten Demonstration war, hatte der Angeklagte aufgrund der äußeren Umstände - der Absperrung des gesamten Areals durch die Polizei - erkannt. Als die Polizei um 14:27 Uhr bis 14:37 Uhr zum Verlassen der Kreuzung aufforderte, sah er sich erneut darin bestätigt, dass die Kreuzung Teil der Aufzugsstrecke war. Denn die polizeiliche Aufforderung hatte, wie er erkannte, zum Ziel, die Kreuzung für den Aufzug wieder passierbar zu machen. Der Angeklagte beabsichtigte aber, den genehmigten Aufzug zu vereiteln. Deswegen leistete er der Aufforderung keine Folge, sondern verblieb mit den übrigen Blockadeteilnehmern bis 16:36 Uhr mitten auf der Kreuzung. Weil der genehmigte Aufzug nicht auf der festgelegten Wegstrecke über die blockierte Kreuzung Fritz-Löffler-Straße/Reichenbachstraße geführt werden konnte und eine Umgehung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit ebenfalls nicht möglich war, musste dieser, wie vom Angeklagten beabsichtigt, um 16:35 Uhr abgesagt werden.
2.
Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen der Störung von Aufzügen gemäß § 21 VersammlG. Diesbezüglich wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Dresden in ihrer Zuschrift vom 02. Juli 2014 verwiesen. Im Hinblick auf die Stellungnahme des Angeklagten mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 18. Juli 2014 sind lediglich folgende Ergänzungen veranlasst:
a) § 21 VersammlG ist kein Erfolgsdelikt und setzt nicht voraus, dass der Täter die Versammlung oder den Aufzug tatsächlich verhindert, sprengt oder vereitelt. Es genügt, dass er in dieser Absicht eine grobe Störung einer nicht verbotenen Versammlung oder eines nicht verbotenen Aufzugs verursacht (vgl. nur Altenhain/Tölle in Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Aufl., § 21 Rz. 2; Dietel u.a., Versammlungsgesetz, 15. Aufl., § 21 Rz. 2, 7). Eine Versammlung wird grob gestört, wenn ihr ordnungsgemäßer Verlauf so schwer beeinträchtigt wird, dass ihre Unterbrechung, Aufhebung oder Auflösung droht. Die Störung muss so stark sein, dass die Durchführung der Versammlung nicht nur erschwert, sondern insgesamt ungewiss wird. Ob das der Fall ist, hängt auch vom Zweck der Versammlung und der Art ihrer (geplanten) Durchführung ab (vgl. Altenhain/Tölle, aaO., § 21 Rz. 20; Dietel u.a., aaO., § 21 Rz. 10). Eine grobe Störung eines genehmigten Aufzuges i.S.d. § 21 VersammlG liegt daher vor, wenn eine unüberwindliche Sperre bzw. Blockade auf der genehmigten Aufzugsstrecke von nicht unerheblicher Dauer gebildet wird (vgl. nur OLG Hamm, NStZ 2012, 457 m.w.N; OVG Nordrhein-Westfalen, NVwZ-RR 2013, 38).
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts lag mit der vollständigen Blockade der Kreuzung Fritz-Löffler-Straße/Reichenbachstraße, ohne dass die Teilnehmer des genehmigten Aufzuges in diesem Bereich auf der geplanten Aufzugstrecke an der Menschenansammlung im Kreuzungsbereich vorbeikamen, eine unüberwindbare Sperre und damit eine grobe Störung im Sinne von § 21 VersammlG vor. Ob die Teiln...