Entscheidungsstichwort (Thema)

Vaterschaftsfeststellungsverfahren: Hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung. Beiordnung eines Rechtsanwalts

 

Leitsatz (amtlich)

I. Die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren ergibt sich für den Antragsgegner im Regelfall bereits infolge der notwendigen förmlichen Beweisaufnahme (§ 177 Abs. 2 FamFG) und der strengen Anforderungen des BGH an die Beweiserhebung in Abstammungsprozessen.

II. In Vaterschaftsfeststellungsverfahren ist die Beiordnung eines Rechtsanwaltes nach § 78 Abs. 2 FamFG geboten, wenn die Verfahrensbeteiligten gegensätzliche Ziele verfolgen.

 

Normenkette

FamFG § 177 Abs. 2, § 78 Abs. 2, § 76; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Leipzig (Beschluss vom 17.05.2010; Aktenzeichen 335 F 1002/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Leipzig vom 17.5.2010 - 335 F 1002/10, aufgehoben. Dem Antragsgegner wird rückwirkend zum 29.4.2010 Verfahrenskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren bewilligt. Rechtsanwältin E. H., R., wird ihm zu den Bedingungen eines im Bezirk des AG Leipzig niedergelassenen Rechtsanwaltes beigeordnet.

 

Gründe

I. Der Antragsteller nimmt den Antragsgegner auf Feststellung der Vaterschaft in Anspruch.

Der in Baden-Württemberg lebende, mittlerweile 19jährige Antragsgegner und die in Sachsen lebende, mittlerweile 21jährige Mutter des Antragstellers lernten sich über das Internet kennen. Ein erstes persönliches Treffen gab es Anfang 2009. Entweder Anfang Februar oder Anfang März 2009 zogen beide zusammen.

Der Antragssteller behauptet, der Antragsgegner sei erst Anfang Juni 2009 aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen.

Der Antragsgegner behauptet, bereits im April 2009 wieder ausgezogen zu sein. Er könne nicht ausschließen, dass er nicht der Vater sei.

Die gesetzliche Empfängniszeit ist nach den Feststellungen des Familiengerichts die Zeit vom 1.2.2009 bis zum 31.5.2009.

Die als Zeugin vom Familiengericht vernommene Mutter des Antragstellers hat erklärt, es habe in der fraglichen Empfängniszeit und bis zur Geburt keinen Geschlechtsverkehr mit anderen Männern gegeben.

Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 17.5.2010 den Verfahrenskostenhilfeantrag des Antragsgegners zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsgegner am 27.5.2010 beim Familiengericht die dem Senat am 24.6.2010 vorgelegte Beschwerde eingelegt. Bereits am 7.6.2010 hat das Familiengericht in Abwesenheit des Antragsgegners verhandelt und allein aufgrund der Aussage der Mutter mit Beschluss vom selben Tag die Vaterschaft des Antragsgegners festgestellt.

II. Die nach § 76 Abs. 2 FamFG, §§ 127 Abs. 2 S. 2, 3, 567, 569 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Der Antragsgegner ist nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ersichtlich nicht in der Lage, die Verfahrenskosten auch nur anteilig oder in Raten aufzubringen, §§ 114 S. 1, 115 ZPO.

2. Die erstinstanzliche Rechtsverteidigung des Antragsgegners hatte hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 S. 1 ZPO.

a) In der obergerichtlichen Rechtsprechung werden die Anforderungen an das Verteidigungsvorbringen zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gegenüber einer Vaterschaftsfeststellungsklage nicht einheitlich beurteilt.

Ein Teil der Obergerichte verlangt, der als Vater in Anspruch genommene Antragsgegner habe ernsthafte Zweifel an seiner Vaterschaft darzulegen (OLG Nürnberg FamRZ 2004, 547; OLG Köln FamRZ 2003, 1018; OLG Hamburg FamRZ 2000, 1587). Teilweise wird - weniger streng - verlangt, dass der Antragsgegner über die bloß abstrakte Möglichkeit seiner Nichtvaterschaft hinaus Tatsachen vortragen muss, die seine Zweifel zumindest verständlich erscheinen lassen (OLGReport Stuttgart 2005, 277).

Nach einer dritten Ansicht genügt bereits das Bestreiten der Vaterschaft mit Nichtwissen (OLGReport Zweibrücken 2005, 788 m.w.N.). Denn die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung ergebe sich im Regelfall bereits deshalb, weil das Ergebnis des Rechtsstreits von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abhänge. Eine antizipierte Beweiswürdigung im Verfahrenskostenhilfeverfahren sei nicht geeignet, das Ergebnis des Gutachtens vorweg zu nehmen. Wegen der erheblichen Folgen eines solchen Statusverfahrens würde sich auch eine vermögende Partei gegenüber einer Vaterschaftsfeststellungsklage regelmäßig dann zur Wehr setzen, wenn sie keine konkreten Hinweise für die Vaterschaft eines anderen hat, sich andererseits aber der eigenen Vaterschaft nicht sicher sein kann.

Der Senat tritt der zuletzt genannten Auffassung bei. Denn die Durchführung einer förmlichen Beweisaufnahme ist im Verfahren über die Feststellung der Vaterschaft zwingend, §§ 177 Abs. 2 S. 1, 169 Nr. 1 FamFG. Für eine, auch nur eingeschränkte Beweisantizipation zu Lasten des als Vater in Anspruch genommenen Antragsgegners ist nach den vom BGH aufgestellten Grundsätzen zur Beweiserhebung in Abstammungsprozessen keinerlei Raum:

Bereits nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Prozessrecht war an...

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