Leitsatz
Das OLG Dresden hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage beschäftigt, wann von hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren ausgegangen werden kann. Ferner ging es um die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Vaterschaftsfeststellungsverfahren.
Sachverhalt
Der Antragsteller nahm den Antragsgegner auf Feststellung der Vaterschaft in Anspruch. Der in Baden-Württemberg lebende, mittlerweile 19jährige Antragsgegner und die in Sachsen lebende, mittlerweile 21jährige Mutter des Antragstellers lernten sich über das Internet kennen. Ein erstes persönliches Treffen gab es Anfang 2009. Entweder Anfang Februar oder Anfang März 2009 zogen beide zusammen.
Der Antragsgegner behauptete, bereits im April 2009 wieder ausgezogen zu sein. Als gesetzliche Empfängniszeit kam nach den Feststellungen des FamG die Zeit vom 1.2.2009 bis zum 31.5.2009 in Betracht. Die als Zeugin vom FamG vernommene Mutter des Antragstellers hat erklärt, es habe in der fraglichen Empfängniszeit und bis zur Geburt keinen Geschlechtsverkehr mit anderen Männern gegeben.
Das FamG hat den Verfahrenskostenhilfeantrag des Antragsgegners zurückgewiesen. Hiergegen hat er fristgerecht Beschwerde eingelegt, die dem OLG am 24.6. vorgelegt wurde. Bereits am 7.6.2010 hatte das FamG in Abwesenheit des Antragsgegners verhandelt und allein aufgrund der Aussage der Mutter mit Beschluss vom selben Tage die Vaterschaft des Antragsgegners festgestellt.
Die Beschwerde des Antragsgegners erwies sich als begründet.
Entscheidung
Nach Auffassung des OLG hatte die erstinstanzliche Rechtsverteidigung des Antragsgegners hinreichende Aussicht auf Erfolg. Auch sei er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Verfahrenskosten auch nur anteilig oder in Raten aufzubringen.
Das OLG wies darauf hin, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung die Anforderungen an das Verteidigungsvorbringen zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ggü. einer Vaterschaftsfeststellungsklage nicht einheitlich beurteilt würde.
Ein Teil der Obergerichte verlange, der als Vater in Anspruch genommene Antragsgegner habe ernsthafte Zweifel an seiner Vaterschaft darzulegen (OLG Nürnberg FamRZ 2004, 547; OLG Köln FamRZ 2003, 1018; OLG Hamburg FamRZ 2000, 1587).
Teilweise werde - weniger streng - verlangt, dass der Antragsgegner über die bloß abstrakte Möglichkeit seiner Nichtvaterschaft hinaus Tatsachen vortragen müsse, die seine Zweifel zumindest verständlich erscheinen ließen (OLGReport Stuttgart 2005, 277).
Nach einer dritten Ansicht genüge bereits das Bestreiten der Vaterschaft mit Nichtwissen (OLGReport Zweibrücken 2005, 788 m.w.N.). Die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung ergebe sich im Regelfall bereits deshalb, weil das Ergebnis des Rechtsstreits von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abhänge. Eine antizipierte Beweiswürdigung im Verfahrenskostenhilfeverfahren sei nicht geeignet, das Ergebnis des Gutachtens vorweg zu nehmen. Wegen der erheblichen Folgen eines solchen Statusverfahrens würde sich auch eine vermögende Partei ggü. einer Vaterschaftsfeststellungsklage regelmäßig dann zu Wehr setzen, wenn sie keine konkreten Hinweise für die Vaterschaft eines anderen habe, sich andererseits aber der eigenen Vaterschaft nicht sicher sein könne.
Das OLG folgte der zuletzt genannten Auffassung, da die Durchführung einer förmlichen Beweisaufnahme im Verfahren über die Feststellung der Vaterschaft zwingend sei, §§ 177 Abs. 2 S. 1, 169 Nr. 1 FamFG.
Für eine auch nur eingeschränkte Beweisantizipation zu Lasten des als Vater in Anspruch genommenen Antragsgegners sei nach den vom BGH aufgestellten Grundsätzen zur Beweiserhebung in Abstammungsprozessen keinerlei Raum.
Auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts hielt das OLG für erforderlich.
Zwar bestehe in Abstammungssachen kein Anwaltszwang. Sei eine anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben, werde nach dem seit dem 1.9.2009 geltenden Prozessrecht ein Rechtsanwalt nur dann beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung erforderlich erscheine.
Nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Prozessrecht wurde die Beiordnung eines Rechtsanwalts wegen der existentiellen Bedeutung der Vaterschaftsfeststellung und wegen des Charakters des Verfahrens als vom allgemeinen Zivilprozess stark abweichenden Verfahren eigener Art als notwendig angesehen. Dies habe insbesondere dann gegolten, wenn die Beteiligten des Verfahrens entgegengesetzte Ziele verfolgten (BGH FamRZ 2007, 1968; 2009, 857; BGH, Beschl. v. 2.6.2010 - XII ZB 60/09, zur Veröffentlichung bestimmt).
Diese Erwägungen seien auch im Hinblick auf § 78 Abs. 2 FamFG weiterhin von Bedeutung. Jedenfalls dann, wenn die Beteiligten des Verfahrens entgegengesetzte Ziele verfolgten, seien schon in Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts in der Regel als erfüllt anzusehen.
Link zur Entscheidung
OLG Dresden, Beschluss vom 30.06.2010, 24 ...