Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigung der Eltern zur Wiederherstellung der elterlichen Sorge triftiger Grund zur Abänderung der Sorgerechtsentscheidung. Elterliche Sorge
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Einigung der Eltern zur Wiederherstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge stellt einen für die Abänderung einer Sorgerechtsentscheidung ausreichenden triftigen Grund dar.
2. Das Gericht ist auch im Rahmen einer Abänderungsentscheidung an einen solchen übereinstimmenden Elternvorschlag gebunden, es sei denn, ein mindestens 14 Jahre altes Kind widerspricht oder es liegen konkrete Anzeichen für eine Gefährdung des Kindeswohls durch Sorgerechtsmissbrauch oder Kindesvernachlässigung vor.
Normenkette
BGB §§ 1696, 1696 Abs. 1; ZPO §§ 516, 519, 621e
Verfahrensgang
AG Hohenstein-Ernstthal (Aktenzeichen 1 F 782/99) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG – FamG – Hohenstein-Ernstthal vom 28.6.2001 aufgehoben.
In Abänderung des Beschlusses des OLG Brandenburg vom 2.9.1999 wird das gemeinsame Sorgerecht der Parteien für den am … geborenen Sohn … wieder hergestellt.
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für … wird dem Antragsteller übertragen.
2. Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; die Parteien tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Der Beschwerdewert wird auf 5.000 DM festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über das Sorgerecht für ihren gemeinsamen, am … geborenen Sohn … .
Die Ehe der Parteien wurde mit Urteil des AG – FamG – Brandenburg vom 1.7.1998 geschieden. Gleichzeitig wurde in Ziff. 2 des Urteils das Sorgerecht für … auf den Antragsteller übertragen.
Gegen die Sorgerechtsentscheidung legte die Antragsgegnerin Beschwerde ein. Nach Anhörung … hat das OLG Brandenburg am 25.1.1999 eine einstweilige Anordnung erlassen. Mit Beschluss vom 2.9.1999 sprach das OLG das Sorgerecht für … der Mutter zu (OLG Brandenburg v. 2.9.1999 – UF 214/98). Am 8.11.1999 beantragte der Antragsteller beim AG Hohenstein-Ernstthal sowohl im Wege einer vorläufigen Anordnung als auch in der Hauptsache, ihm das Sorgerecht für … zu übertragen. Mit Beschluss vom 8.12.1999 hat das AG – FamG – Hohenstein-Ernstthal den Antrag auf vorläufige Anordnung und mit Beschluss vom 28.6.2001 auch den Antrag zur Hauptsache zurückgewiesen.
Gegen den Beschluss zur Hauptsache hat der Antragsteller form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt und gleichzeitig beantragt, ihm auch im Wege der vorläufigen Anordnung das alleinige Sorgerecht zu übertragen.
Der Senat verhandelte am 6.9.2001 über diesen Antrag des Vaters; er hörte die Eltern und das Kind an und holte einen ergänzenden Bericht des Jugendamts ein.
… befand sich zum Zeitpunkt dieser Verhandlung (seit 20.8.2000) aufgrund einer Inobhutnahme des Jugendamtes Landkreis … mit Einverständnis der Mutter im Kinderheim … Am 11.9.2001 holte ihn der Vater von dort ab. Seitdem hält sich … im Haushalt des Antragstellers auf; die Mutter teilte mit, sie habe sich schweren Herzens dazu entschlossen, … künftig bei seinem Vater aufwachsen zu lassen.
In der daraufhin anberaumten erneuten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18.10.2001 beantragte der Antragsteller nunmehr, in Abänderung des Beschlusses des OLG Brandenburg vom 2.9.1999 die gemeinsame elterliche Sorge beider Eltern für das Kind wieder herzustellen, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind jedoch dem Vater zuzusprechen.
II. Nachdem sich die Parteien über das Sorgerecht für ihren Sohn … geeinigt haben, war auf die nach §§ 621e, 516, 519 ZPO zulässige und in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Beschwerde der Beschluss des FamG Hohenstein-Ernstthal aufzuheben und der Beschluss des OLG Brandenburg vom 2.9.1999 im tenorierten Umfang abzuändern.
Nach Auffassung des Senats kommt einer getroffenen Elternvereinbarung nach der Kindschaftsrechtsreform nicht nur bei der Erstentscheidung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB, sondern auch bei einer Abänderungsentscheidung gem. § 1696 BGB eine besondere Bedeutung zu. Zwar kommt nach dem Wortlaut des § 1696 BGB im Interesse der Erziehungskontinuität eine Änderung der bisherigen Regelung nur aus triftigen, das Kindeswohl nachhaltig berührenden Gründen in Betracht; die mit der Sorgerechtsänderung verbundenen Vorteile müssen die hierbei eventuell auftretenden Nachteile eindeutig überwiegen (OLG Köln v. 24.4.1998 – 25 UF 186/97, FamRZ 1998, 1463; OLG Bamberg v. 20.3.1990 – 2 UF 49/90, FamRZ 1990, 1135). Auch räumt der Wortlaut des § 1696 BGB den Eltern kein Recht zur Bestimmung der elterlichen Sorge ein. In der Begründung des Gesetzesentwurfs (Bundesratsdrucksache 180/96, S. 119) wird allein darauf abgehoben, dass die Neufassung des § 1696 BGB in Übereinstimmung mit der einhelligen Meinung zum geltenden Recht klarstellen sollte, dass § 1696 BGB kein Wiederaufrollen des Verfahrens aus freiem Ermessen, sondern nur aus triftigen Gründen des Kindeswohls ermöglicht. Eine Entscheidungskompetenz der Eltern im Rahmen einer Abänderung lässt sich aus dem Gesetz nicht unmittelbar herlei...