Leitsatz (amtlich)
Die Klagefrist des § 494a Abs. 1 ZPO ist auch dann gewahrt, wenn eine – den sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen genügende – Klage bei Ablauf der Frist beim unzuständigen Gericht eingereicht ist und i.S.v. § 270 Abs. 3 ZPO demnächst zugestellt wird.
Normenkette
ZPO § 494a
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 5 OH 3958/00) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Leipzig vom 17.5.2001 – 5 OH 3958/00 – aufgehoben.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Antragsgegnerin zur Last.
– Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 15.000 DM –
Gründe
I. Mit ihrer sofortigen Beschwerde wenden sich die Antragsteller gegen einen Beschluss des LG Leipzig vom 17.5.2001, durch den ihnen die Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens auferlegt wurden.
Die Antragsteller haben vor dem LG Leipzig ein selbstständiges Beweisverfahren geführt, um Mängel an einem in ihrem Auftrag von der Antragsgegnerin ausgeführten Bauvorhaben feststellen zu lassen. Nachdem der gerichtliche Sachverständige sein Gutachten vom 5.2.2001 erstellt und das LG den Streitwert durch Beschluss vom 14.3.2001 festgesetzt hatte, hielt die Antragsgegnerin das selbstständige Beweisverfahren für abgeschlossen und beantragte mit Schriftsatz vom 21.3.2001, eine Frist zur Klageerhebung zu bestimmen und nach deren Verstreichen den Antragstellern die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen. Die Vorinstanz setzte hierauf den Antragstellern mit Beschluss vom 2.4.2001 eine Frist zur Klageerhebung bis 10.5.2001. Nachdem bis dahin beim LG Leipzig ein Klageeingang nicht festzustellen war, legte es den Antragstellern am 17.5.2001 die der Antragsgegnerin im selbstständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten auf.
Gegen diesen am 23.5.2001 zugestellten Beschluss richtet sich die am selben Tage eingegangene sofortige Beschwerde der Antragsteller, die darauf verweisen, dass sie – wie unstreitig ist – am 7.5.2001 beim AG Leipzig Klage erhoben und in diesem Verfahren zwischenzeitlich Verweisung an das LG Leipzig beantragt haben.
II. Die – gem. § 494a Abs. 2 S. 3 ZPO zulässige – sofortige Beschwerde hat Erfolg, da die Klage der Antragsteller innerhalb der ihnen gesetzten Frist bei Gericht eingegangen ist und damit kein Raum für eine Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO blieb.
1. Einer fristgerechten Erhebung der Klage steht weder entgegen, dass diese beim sachlich unzuständigen AG Leipzig eingereicht wurde (unten a)), noch dass ihr ein Kostenvorschuss nicht beigefügt war (unten b)).
a) Auch außerhalb des gegenständlichen Anwendungsbereichs von § 17b Abs. 1 S. 2 GVG ist inzwischen allgemein anerkannt, dass eine Klage- oder Ausschlussfrist selbst dann gewahrt ist, wenn eine – die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen wahrende (vgl. dazu: BVerwG SGb 2001, 244; OVG Nordrhein-Westfalen v. 29.8.1995 – 25 A 4760/95 A, NJW 1996, 334) – Klage innerhalb der Klagefrist beim unzuständigen Gericht erhoben wird (vgl. BayVGH BayVBl. 2000, 699 zu § 74 AsylVfG; LAG Köln v. 10.7.1998 – 6 Ta 150/98, NZA-RR 1998, 561 zu § 48 ArbGG; BGH v. 7.6.1990 – III ZR 142/89, BGHZ 111, 339 [342] = MDR 1991, 131 zu Art. 12 Abs. 3 NTS-AG; v. 20.2.1986 – III ZR 232/84, BGHZ 97, 155 [159 ff.] = MDR 1986, 1004 zu § 30 PrEnteigG; v. 1.3.1984 – IX ZR 33/83, BGHZ 90, 249 [252] = MDR 1984, 577 zu § 41 Abs. 1 S. 1 KO [bei Verneinung der Fristwahrung aus anderen Gründen]; BGHZ 35, 374 [375 ff.] und BGH NJW 1962, 2154 [2155] zu Art. 8 Abs. 10 FinVertr).
b) Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass § 494a Abs. 1 ZPO ein hiervon abweichender Regelungsgehalt zukommt.
aa) Ohne Belang ist, dass sich diese Norm auf eine gerichtliche Klagefrist bezieht, während die dargelegte Rspr. durchweg zu gesetzlichen Klage- und Ausschlussfristen ergangen ist.
Es beruht auf Praktikabilitätserwägungen – nicht rechtsdogmatischen Gründen –, dass der Gesetzgeber in § 494a Abs. 1 ZPO den Lauf der Klagefrist, gleichermaßen wie in § 926 Abs. 1 ZPO, von einer gerichtlichen Entscheidung abhängig macht. Insbesondere soll hierdurch Rechtsklarheit über den Zeitpunkt der Beendigung der Beweiserhebung geschaffen sowie ein dem Umfang und der Schwierigkeit des jeweiligen Verfahrens angemessener Zeitraum gewährleistet werden.
Sind aber die Unterschiede in der Ausgestaltung der Klagefrist nicht struktureller Art, können die zu der Rspr. zu gesetzlichen Fristen entwickelten Grundsätze ohne weiteres auf die gerichtliche Frist des § 494a Abs. 1 ZPO übertragen werden.
bb) Auch die prozessualen Besonderheiten des selbstständigen Beweisverfahrens rechtfertigen nicht, nur beim zuständigen Gericht eingereichte Klagen als Frist wahrend zu erachten.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Säumnis einer nach § 494a Abs. 1 ZPO bestimmten Frist mit weniger weitreichenden Sanktionen verbunden ist als das Verstreichen von Klage- und Ausschlussfristen, die zur Bestandskraft von Verwaltungsentscheidungen oder zur Unanfechtbarkeit sonstiger rechtsgestaltender Akte führe...