Verfahrensgang

LG Görlitz (Aktenzeichen 5 O 625/20)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz - Außenkammern Bautzen vom 16.07.2021 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird in Abänderung des am 01.09.2022 verkündeten Beschlusses für den Zeitraum bis zum 23.08.2022 auf bis zu 30.000 Euro, für die Zeit danach auf bis zu 13.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die beklagte Fahrzeugherstellerin Schadensersatzansprüche wegen angeblicher unzulässiger Abschalteinrichtungen in dem von ihm erworbenen Pkw Diesel geltend.

Der Kläger erwarb am 31.05.2017 bei einem markengebundenen Autohaus den streitgegenständlichen Pkw VW Tiguan 2.0 TDI als Neuwagen zu einem Preis von 35.420,25 EUR. In dem Fahrzeug ist ein Motor der Baureihe EA 288 der Abgasnorm EU 6 mit SCR-Katalysator eingebaut.

Der Kläger hat behauptet, die Software der Motorsteuerung von Dieselfahrzeugen des Typs Tiguan sei mit einer Software versehen, welche über die Ermittlung einer sogenannten Fahrkurve erkenne, wann sich das Fahrzeug im Prüfmodus befinde, und steuere sodann eine Reduzierung der motorisierten NOx-Emission durch Maßnahmen bei der Abgasreinigung. Zudem habe die Beklagte - in kartellwidriger Absprache mit der xx AG und der yy AG - wissentlich einen zu kleinen AdBlue-Tank in das Fahrzeug eingebaut. Zudem habe die Beklagte eine weitere Abschalteinrichtung in Gestalt des sogenannten "Thermofensters" verbaut. Dieses reduziere ab einer Außentemperatur von 17 Grad die Abgasrückführung. Anders als die Beklagte es darstelle, sei das Thermofenster nicht zum Schutz des Motors oder der Bauteile des Abgasrückführungssystems zwingend notwendig. Hierdurch würden im normalen Fahrbetrieb auf der Straße die Grenzwerte nicht eingehalten. Die Beklagte habe damit den Kläger vorsätzlich geschädigt. Sowohl der Vorstand als auch die verantwortlichen Leiter der Entwicklungsabteilungen hätten die Manipulation der Motorsoftware beschlossen und die Schädigung des Klägers zumindest billigend in Kauf genommen. Der Kläger sei in seinem wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrecht verletzt und wirtschaftlich so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stehen würde. Die Beklagte habe dem Kläger daher den Kaufpreis unter Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückübertragung des Fahrzeugs zu erstatten. Bei der Berechnung der Nutzungsentschädigung sei zu beachten, dass der Kaufpreis um 30 % überhöht gewesen sei. Zudem sei mit einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km, mindestens jedoch mit 400.000 km zu rechnen.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Hersteller: Y. Fahrzeug-Identifizierungs-Nummer (FIN): ... an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 35.420,25 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs zu erstatten, die sich aus folgender Formel ergibt: 75 % × 35.420,25 EUR × (Kilometerstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - Kilometerstand bei Kauf) / (in das Ermessen des Gerichts gestellte Gesamtlaufleistung - Kilometerstand bei Kauf).

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in dem Klageantrag zu 1) genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 2.373,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf hingewiesen, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug nicht der von der sogenannten Dieselthematik ursprünglich betroffene Motor EA 189, sondern ein Motor des Typs EA 288 verbaut sei, welcher gerade nicht mit dem erstgenannten Motortyp vergleichbar sei. Für sämtliche Fahrzeuge des Motortyps EA 288 der Marken VW, Audi, Seat und Skoda gebe es keinen amtlichen Rückrufbescheid des KBA im Zusammenhang mit dem Emissionsverhalten, insbesondere nicht wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Das KBA habe unmittelbar nach Bekanntwerden der EA 189-Thematik im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) umfangreiche Untersuchungen zum Motor verschiedener Hersteller und Motortypen zur Prüfung möglicher unzulässiger Abschalteinrichtungen, unter anderem auch hinsichtlich Motoren des Typs EA 288, vorgenommen. Im Rahmen dieser Untersuchunge...

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