Leitsatz (amtlich)
Zur bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinn und zur Haftung des Anlagevermittlers bei einem vor Inkrafttreten des § 1 Abs. 2 Nr. 4 VermAnlG prospektgestützt vertriebenen qualifizierten Nachrangdarlehen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 09 O 1918/22) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 09.08.2023 - 09 O 1918/22 - unter Aufhebung des Kostenausspruchs abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 9.919,03 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Beklagten 1) seit 19.07.2022 und die Beklagte 2) seit 16.07.2022 Zug um Zug gegen Übertragung aller Ansprüche und Rechte des Klägers aus dem am 26.04./03.05.2013 mit der U... GmbH & Co. KG geschlossenen Nachrangdarlehensvertrag zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten 1) und 2) mit der Annahme der Ansprüche und Rechte aus der Stellung als Darlehensgeber gemäß Klageantrag zu 1. im Annahmeverzug befinden.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz tragen der Kläger 15% und die Beklagten 1) und 2) als Gesamtschuldner 85%, wobei der Kläger allein die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts München I entstandenen Kosten trägt. Darüber hinaus trägt der Kläger 15% der in der Berufungsinstanz entstandenen außergerichtlichen Kosten der Streithelferin. Eine weitere Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
IV. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten um Ersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Nachrangdarlehens.
Aufgrund eines vom Kläger am 26.04.2013 unterschriebenen Zeichnungsscheins für ein Darlehensangebot an die U... GmbH & Co. KG, das die Gesellschaft am 03.05.2013 annahm, gewährte der Kläger ein verzinsliches Darlehen in Höhe von 12.000.00 Euro mit einer maximalen Laufzeit bis 30.06.2024 (Anlagen K 1 und K 2a/b). Der Zeichnung lag ein von der U... GmbH & Co. KG ausgegebener Verkaufsprospekt "EnergieMix ab 3 Jahre Laufzeit 5,5% bis 9% p.a. Festzins - U..., Stand 05.02.2013" zugrunde (Anlage B 2-1). Der im Prospekt (Seiten 49 ff.) abgedruckte "Darlehensvertrag" regelt in § 1 Abs. 1, dass der Anleger dem Darlehensnehmer ein "nachrangiges und unbesichertes Darlehen" gewährt. In § 9 des Darlehensvertrags finden sich unter der Überschrift "Nachrangigkeit" nähere Rückzahlungsregelungen, auf deren Inhalt verwiesen wird.
Während der Vertragslaufzeit erhielt der Kläger anfängliche Zinsausschüttungen im Gesamtumfang von 2.080,97 Euro.
Der Beklagte 1) fungierte in einer Vielzahl zur sog. U...-Gruppe gehörender Gesellschaften als Geschäftsführer. Er war zum maßgebenden Zeichnungszeitpunkt auch Geschäftsführer der Komplementärin der U... GmbH & Co. KG. Ab Herbst 2020 beanstandete die B... gegenüber mehreren Anlagegesellschaften der U...-Gruppe, dass die ohne bankaufsichtsrechtliche Erlaubnis vorgenommene Einwerbung von Nachrangdarlehen infolge einer fehlenden Transparenz der gegenüber Anlegern verwendeten vorformulierten Nachrangklauseln unzulässig sei; seit dem Jahr 2021 erließ die B... gegenüber den Anlagegesellschaften Einstellungs- und Abwicklungsanordnungen. Über das Vermögen der U... GmbH & Co. KG wurde am 01.09.2021 das Insolvenzverfahren eröffnet (Amtsgericht Leipzig, 401 IN 999/21).
Die Beklagte 2), deren Geschäftsführer der Beklagte 1) war, übernahm den Alleinvertrieb der von der U... GmbH & Co. KG angebotenen Nachrangdarlehen (vgl. Seiten 38 f. und 44). Sie informierte den Kläger über die Anlagemöglichkeit und stellte ihm sowohl den Zeichnungsschein als auch den Verkaufsprospekt zur Verfügung.
Der Kläger nimmt die Beklagten 1) und 2) auf Schadenersatz in Anspruch, weil die zur Kapitaleinwerbung verwendeten Prospektunterlagen unrichtig und unvollständig gewesen seien. Daneben ergebe sich infolge der Unwirksamkeit der Nachrangklausel eine Einstandspflicht wegen des Betriebs eines unerlaubten Einlagengeschäfts gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1, § 54 Abs. 1 und 2 KWG. Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Tatbestand der landgerichtlichen Entscheidung und die erstinstanzlich von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Mit dem angegriffenen Urteil vom 09.08.2023 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Schadenersatz zu. Hinsichtlich der Entscheidungsbegründung wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen, das dem Kläger am 17.08.2023 zugestellt worden ist.
Mit der am 18.09.2023 (Montag) eingelegten und nach entsprechender Fristverlängerung am 17.11.2023 begründeten Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Ersatz- und Fes...