Leitsatz (amtlich)
An die Bestellung eines Nicht-EU-Ausländers zum Geschäftsführer einer GmbH sind keine über § 6 Abs. 2 GmbHG hinausgehenden persönlichen Anforderungen zu knüpfen. Der Wirksamkeit seiner Bestellung steht insb. nicht entgegen, dass er infolge seiner Staatsangehörigkeit seinen gesetzlichen Pflichten als Geschäftsführer nicht ohne Weiteres nachkommen kann.
Verfahrensgang
LG Görlitz (Aktenzeichen 3 KfH O 71/01) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Kammer für Handelssachen des LG Görlitz vom 5.7.2002 – 3 KfHO 71/01 – im Kostenpunkt aufgehoben, im Übrigen abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
– Streitwert der Berufung: 43.973,66 Euro –
Gründe
Die Berufung der Beklagten, über welche angesichts der Säumnis der prozessordnungsgemäß geladenen Klägerin und der Zulässigkeit der von dieser erhobenen Klage auf der Grundlage des Tatsachenvortrages der Beklagten zu entscheiden war, ist begründet, so dass der Senat insgesamt durch Versäumnisurteil zu erkennen hatte (§ 539 Abs. 2 ZPO).
A. Die Klägerin ist prozessfähig, da sie mit dem am 18.8.2000 wirksam zum Geschäftsführer bestellten I.S. über ein Vertretungsorgan verfügt.
1. Der Berufung von I.S. zum Geschäftsführer steht nicht entgegen, dass dieser als Bürger der russischen Förderation seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat und seiner Geschäftsführertätigkeit nach dem ihm erteilten Visum längstens drei Monate im Jahr im Inland nachkommen kann (vgl. § 14 AuslG, § 12 Abs. 1 und Abs. 5 DV AuslG, §§ 9, 1 ArGV, § 5 Abs. 2 Nr. 1 BVG).
a) Der Wortlaut von § 6 Abs. 2 GmbHG schließt Angehörige von Nicht-EU-Staaten weder von der Ausübung des Geschäftsführeramtes aus noch fordert er die jederzeitige Möglichkeit zur Einreise i.S.d. ausländerrechtlichen Bestimmungen. Auch kann eine mit einer Auflage versehene ausländerrechtliche Aufenthaltsgenehmigung nicht einem behördlich angeordneten Berufsverbot i.S.v. § 6 Abs. 2 S. 4 GmbHG gleichgestellt werden (vgl. Wachter, ZIP 1999, 1575 [1579]).
b) Eine weitergehende Restriktion der in § 6 Abs. 2 GmbHG normierten persönlichen Anforderungen für das Amt des Geschäftsführers ist nicht veranlasst.
aa) Eine planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor.
Aus der Gesetzgebungsgeschichte der im Jahr 1980 eingeführten Vorschrift ergibt sich kein Hinweis auf eine ungewollte Unvollständigkeit des Wortlauts. Auch die im Jahr 1990 durch das Betreuungsgesetz erfolgte Ergänzung hat der Gesetzgeber nicht zum Anlass für eine Änderung genommen (vgl. Wachter, ZIP 1999, 1575 [1579]).
bb) Der Senat vermag auch in der Systematik des GmbH-Gesetzes keine hinreichende normative Verankerung dafür zu erkennen, dass zum Geschäftsführer nicht bestellt werden könne, wer in Folge seiner Staatsangehörigkeit seinen gesetzlichen Pflichten nicht ohne Weiteres werde nachkommen können (so aber: OLG Zweibrücken v. 13.3.2001 – 3 W 15/01, GmbHR 2001, 435 [436]; OLG Köln v. 30.9.1998 – 2 Wx 22/98, GmbHR 1999, 182 [183]; OLG Köln v. 26.10.1998 – 2 Wx 29/98, GmbHR 1999, 343 = OLGReport Köln 1999, 108 = NJW-RR 1999, 1637 [1638]; OLG Hamm ZIP 1999, 1919 [1920]; vgl. zu § 76 Abs. 3 AktG: Hüffer, AktG, 5. Aufl. § 77 Rz. 25).
(1) Gegen eine solche Beschränkung der persönlichen Voraussetzungen spricht bereits, dass die organschaftliche Vertretungsmacht bei Kapitalgesellschaften in besonderer Weise von Aspekten des Verkehrsschutzes geprägt ist und diese Zielrichtung nachgerade in ihr Gegenteil verkehrt würde, wenn die Organstellung einer formal zum Geschäftsführer bestellten Person von dessen faktischer Erreichbarkeit oder von ausländerrechtlichen Verhältnissen abhinge. Dies gilt umso mehr, als diese Umstände für den Rechtsverkehr schon von den tatsächlichen Gegebenheiten her in aller Regel nicht erkennbar sind, geschweige denn für Dritte hinreichend verlässlich zu bewerten ist, wie die Rechtslage von den Ausländerbehörden und den Registergerichten mutmaßlich eingeschätzt wird.
Der erforderliche Schutz der betroffenen Verkehrskreise kann insoweit auch nicht über § 15 Abs. 3 HGB wirkungsvoll hergestellt werden, da bei einer Einzelfall bezogenen Würdigung die betroffenen Verkehrskreise bis zum Eintragungszeitpunkt das Risiko trügen, dass ein nicht im Gebiet der Europäischen Union ansässiger Ausländer, der durch Gesellschafterbeschluss zum Vertretungsorgan bestellt wurde, dessen Funktion auch tatsächlich einnimmt (vgl. Wachter, ZIP 1999, 1575 [1579]). Welche Unzuträglichkeiten bei einer gegenteiligen Sicht entstünden, zeigt das vorliegende Eintragungsverfahren, in dem es seit nunmehr über zwei Jahren zu keiner registergerichtlichen Entscheidung gekommen ist, exemplarisch.
(2) Der Senat vermag auch nicht zu ersehen, dass die einem Geschäftsführer nach den GmbH-Gesetz zugewiesenen Pflichtenstellungen erfordern, die in § 6 Abs. 2 GmbHG genannten persönlichen Anforderungen im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu ergänzen.
(2.1)...