Leitsatz (amtlich)

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Verfahrensgang

LG Dresden (Urteil vom 02.09.2016; Aktenzeichen 3 O 1637/16 EV)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des LG Dresden vom 2.9.2016 abgeändert und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

II. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 15.000,- EUR bis zum 15.11.2016 und auf 9000,- EUR ab diesem Zeitpunkt festgesetzt.

 

Gründe

I. (Von der Aufnahme des Tatbestandes wird abgesehen, §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 2, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO).

II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil war wegen Nichteinhaltung der Vollziehungsfrist gem. § 929 Abs. 2 ZPO aufzuheben (1.). Einen Anspruch auf Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, hat der Verfügungskläger (Kl.) überdies nicht (2.).

1. Gemäß § 936 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 929 Abs. 2 ZPO muss eine einstweilige Verfügung innerhalb eines Monats vollzogen werden. Ist die einstweilige Verfügung wie hier durch Urteil erlassen worden, beginnt die Frist mit der Urteilsverkündung (Vollkommer in: Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 929 Rn. 5), vorliegend mithin am 2.9.2016. Bei einer Unterlassungsverfügung besteht die Besonderheit, dass deren Vollziehung, also ihre nicht auf Befriedigung, sondern nur auf Sicherung des Gläubigers gerichtete Vollstreckung, an sich überhaupt nicht oder zumindest so lange unmöglich ist, als der Schuldner ihr nicht zuwiderhandelt. Auch für eine ein Verbot oder Gebot aussprechende Urteilsverfügung gilt aber der sich aus § 929 Abs. 2 ZPO ergebende Grundsatz, dass sich ein Gläubiger, der in einem nur vorläufigen Eilverfahren einen Titel erwirkt hat, rasch entscheiden muss, ob er von diesem Titel Gebrauch machen will oder nicht (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.01.2014 - 6 U 118/13, juris-Rn. 19 m.w.N.). Die Kundgabe des Willens, von dem erstrittenen Titel Gebrauch zu machen, muss notwendigerweise vom Gläubiger ausgehen und dem Schuldner gegenüber erfolgen. Die Zustellung der Entscheidung von Amts wegen, die hier am 6.9.2016 erfolgt ist, reicht daher für eine Vollziehung der einstweiligen Verfügung nicht aus. An der abweichenden Auffassung, die der Senat zuletzt im Beschluss vom 10.5.2007 (4 U 298/07n. v.) vertreten hat, hält er nicht mehr fest. Bei durch Beschluss erlassenen einstweiligen Verfügungen, die ein Verbot aussprechen, besteht der Akt der Willenskundgabe in deren Zustellung im Parteibetrieb (BGHZ 120, 73; OLG Karlsruhe aaO). Bei einer durch Urteil erlassenen einstweiligen Verfügung, wie sie hier vorliegt, ist die Parteizustellung dagegen nicht der einzige Weg zur wirksamen Vollziehung. Dem Sinn und Zweck der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO, eine Vollziehung der einstweiligen Verfügung nach längerer Zeit und unter veränderten Umständen zu verhindern, ist vielmehr auch dann genügt, wenn der Verfügungskläger innerhalb der Vollziehungsfrist die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den Verfügungsbeklagten beantragt oder eine formlose Abschrift im Parteibetrieb zustellt und damit von der einstweiligen Verfügung Gebrauch macht (BGH WRP 1989, 514 juris-Rn. 26f; OLG Karlsruhe MDR 2006, 672).

Diesen Weg hat der Kläger jedoch vorliegend im Verfahren 3 O 1637/16 EV nicht beschritten. Sein Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln vom 6.9.2016 betraf allein das Verfahren 3 O 1542/16 über den Antrag auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung. Auch eine andere Erklärung, aus der die Beklagten innerhalb der Vollziehungsfrist den Schluss auf einen fortbestehenden Vollziehungswillen hätten ableiten können, fehlt. Der fehlende Vollzug der einstweiligen Verfügung kann im Berufungsverfahren geltend gemacht werden. Auch wenn es sich bei dem Einwand, die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO sei versäumt, um einen solchen handelt, der grundsätzlich im Wege eines Antrages nach §§ 936, 927 Abs. 1 ZPO geltend zu machen ist, weil damit die Rechtmäßigkeit der Fortdauer der einstweiligen Verfügung, nicht aber die Rechtmäßigkeit ihrer Anordnung in Frage gestellt wird, ist allgemein anerkannt, dass dieser Einwand auch mit der Berufung als dem weiter gehenden Rechtsbehelf geltend gemacht werden kann (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 27.5.2013 - 1 U 23/12 -, Rn. 26, juris; Zöller-Vollkommer, aaO. § 927 Rn 21 m.w.N.). Ist aber eine einstweilige Verfügung aufzuheben, weil sie - wie hier - nicht innerhalb der in §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO bestimmten Frist wirksam vollzogen wurde, ist diese als von Anfang an zu Unrecht ergangen anzusehen (OLG Düsseldorf JurBüro 2012, 322; OLG Karlsruhe WRP 1996, 120; OLG Hamm GRUR 1985, 84). Auf einen anfänglichen Mangel des Verfügungsgrundes darf allenfalls dann nicht geschlossen werden, wenn der Verfügungsanspruch nachträglich entfallen und die Vollziehung deshalb unterblieben ist (OLG ...

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