Leitsatz (amtlich)
1. Zur Zulässigkeit einer Nichtigkeitsfeststellungsklage des Insolvenzverwalters einer Aktiengesellschaft gegen deren Jahresabschluss.
2. Zur Bilanzierung fondsgebundener Lebensversicherungen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 04 HK O 570/16) |
Tenor
I. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Leipzig vom 09.06.2017, 4 HKO 570/16, wird festgestellt, dass der am 07.03.2013 im Bundesanzeiger veröffentlichte Jahresabschluss der Beklagten zum 31.03.2012 und der unter TOP 2 der in der Urkunds-Nr. xxxx/yyyy des Dresdner Notars Dr. H ... N ... am 02.10.2012 beurkundeten Hauptversammlung gefasste Beschluss der Beklagten über die Gewinnverwendung zum 31.03.2012 nichtig sind.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Der Streithelfer trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 80.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 80.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der klagende Insolvenzverwalter der Beklagten begehrt die Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses der Beklagten zum 31.03.2012 sowie des hierauf beruhenden Gewinnverwendungsbeschlusses.
Die beklagte Aktiengesellschaft wurde als eine von drei 100 %igen Tochtergesellschaften der inzwischen insolventen F ... AG (später umformiert in P ... AG; im Folgenden: P ...) am 05.02.2010 gegründet. An der Muttergesellschaft hielt die gleichfalls insolvente F ... KG aA (im Folgenden: F ...) 20 % der Aktienanteile. Auch die F ... unterhielt mehrere Tochtergesellschaften. Die Beklagte, die P ..., die F ... und weitere Gesellschaften der Unternehmensgruppe - die teilweise F ...- oder auch I ...-Gruppe genannt wird - emittierten in erheblichen Umfang Orderschuldverschreibungen sowie teilweise auch Genussrechte und Nachrangdarlehen. Persönlich haftender Gesellschafter der F ... und Vorstand der P ... war Herr B ..... Gegen diesen und weitere Personen, die innerhalb der Unternehmensgruppe Funktionen ausgeübt haben oder ausgeübt haben sollen, wird gegenwärtig ein Strafverfahren vor dem Landgericht Dresden wegen des Verdachtes des Kapitalanlagenbetruges und Betrugs wegen Errichtung und Betriebs eines sogenannten "Schneeballsystems" geführt.
Der satzungsmäßige Geschäftszweck der Beklagten bestand in einer Tätigkeit als Versicherungs- und Immobilienmakler, insbesondere im Vermitteln von Versicherungen aller Art sowie insbesondere in der Vermittlung und Verwertung kapitalbildender einschließlich fondsgebundener Versicherungen, deren Weiterverkauf an Dritte, der Vermittlung und Verwertung von Immobilien, der Vermittlung von Namensgenussrechten, dem An- und Verkauf von Rohstoffen und Edelmetallen einschließlich der Übernahme von Geschäftsbesorgungen, Erbringung von Beratungen.
Die Beklagte stellte sich in ihren an Kapitalanleger gerichteten Prospekten (vgl. Anlage K 4, Basisprojekt der Beklagten für Orderschuldverschreibungen der e ... AG vom 24.08.2011, S. 38 ff.) als ein Unternehmen dar, dessen Geschäftsfelder sich schwerpunktmäßig auf Investitionen in weltweite Substanzwerte unter ökologischen und ethischen Gesichtspunkten erstrecken, weshalb die Gesellschaft nachhaltigen Beteiligungen an Unternehmen und Projekten im In- und Ausland, die geeignet seien, dem Geschäftszweck des Unternehmens mittelbar oder unmittelbar zu dienen, erwerbe. Die Beklagte engagiere sich in einem Markt für nachhaltige Beteiligungen und verfolge das Ziel, sich unter Beachtung ökologischer und ökonomischer Aspekte an interessanten und zukunftsweisenden Unternehmen und Projekten zu beteiligen. Der Schwerpunkt falle dabei auf den Bereich der regenerativen Energien. Zudem erwerbe die Beklagte Immobilien, die sich durch eine umweltgerechte und ökologisch nachhaltige Konzeptionsbauweise oder Sanierung auszeichneten, um diese zu vermieten oder zu verkaufen. Die Gesellschaft führe an den erworbenen Immobilien Erhaltungsmaßnahmen unter ökologischen Gesichtspunkten durch. Ferner kaufe die Gesellschaft fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherungen (im Folgenden: Rentenversicherungen) am Zweitmarkt, deren Beiträge vorrangig in Investmentfonds eingezahlt würden, die nicht nur nach ökonomischen, sondern auch nach nachhaltigen ökologischen oder ethischen Gesichtspunkten investierten. Die Beklagte kaufe "grüne" Versicherungen von Versicherungsnehmern, denen es wichtig gewesen sei, ihre Sparbeiträge unter nachhaltigen, ökologischen und ethischen Gesichtspunkten zu investieren, wenn diese ihre Versicherungen nicht weiterführen können oder wollen, und führe diese im Regelfall bis zum Vertragsende weiter, wobei das Hauptaugenmerk auf nachhaltige ethische und ökologische und ökonomische Aspekte gelegt werde. Schließlich entwickle die Beklagte nachhaltige Fonds- und Anlagepro...