Leitsatz (amtlich)
1. Verspricht ein Versicherer eine Entschädigung, wenn "die zuständige Behörde aufgrund einer Erkrankung nach dem Infektionsschutzgesetz den Betrieb schließt", ist der Deckungsumfang nicht auf sog. intrinsische Gefahren beschränkt.
2. Eine Klausel ist den Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung, die meldepflichtige Erkrankungen als "die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger" definiert und diese sodann im Einzelnen auflistet, ist nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers als abschließend zu verstehen; eine Erstreckung auf Betriebsschließungen aufgrund von SARS-COV 2/Covid-19 scheidet aus. Eine unangemessene Benachteiligung wegen einer Entkernung des Schutzgedankens der Betriebsschließungsversicherung liegt hierin nicht.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 909/20) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 06.01.2021, Az 8 O 909/20, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
III. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 9.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Versicherungsleistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung, die sie im Wege der Teilklage geltend macht.
Die Klägerin hat bei der Beklagten für die von ihr betriebene Gaststätte "M...... A......" in Dresden eine Betriebsversicherung "H...... Business All Inclusive Police" mit Versicherungsbeginn zum 01.01.2018 abgeschlossen (Versicherungsschein Nr. 200.053.0151158.8, Anlage K1). Der Versicherungsschutz umfasst eine Reihe von Risiken, darunter auch eine "Betriebsschließungsversicherung infolge Seuchengefahr für Schließungsschäden bzw. für Warenschäden". Zum Leistungsumfang dieses Risikos gehört als Höchstersatzleistung je Versicherungsfall eine Haftzeit von 60 Tagen, eine Entschädigung für den Warenschaden i.H.v. 30.000,- EUR mit einem Selbstbehalt von 500,- EUR und eine Tagesentschädigung für Betriebsschließungsschäden i.H.v. 3.000,- EUR mit einem Selbstbehalt von 2 Arbeitstagen. Zusätzlich sind weitere Kosten auf Erstes Risiko mitversichert. Wegen der Einzelheiten wird auf S. 19 des Versicherungsscheines verwiesen (Anlage K1, S. 19).
Der Versicherung liegen die "H...... Business All Inclusive Allgemeinen Versicherungsbedingungen" (im folgenden AVB) mit Stand vom 01.07.2016 zugrunde (vgl. Anlage K2, S. 21). Diese enthalten in Abschnitt C u. a. folgende Regelungen:
"1. Betriebsschließung
1.1 Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern bei Menschen schließt.
...
1.2 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten
...
(Anmerk.: es folgt eine Aufzählung von 18 Krankheiten)
b) Krankheitserreger
...
(Anmerk.: es folgt eine Aufzählung von 49 Krankheitserregern) ..."
Zu 1.3 heißt es unter der Überschrift "nicht versicherte Schäden":
"Nicht versichert sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden
...
e) von Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf; ..."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die AVB ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin hat nach Erlass der behördlichen Allgemeinverfügungen vom 18.03.2020, 20.03.2020 und 31.03.2020 sowie den Verordnungen des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 vom 17.04.2020 und 04.05.2020 die von ihr betriebene Gaststätte "M......" sowie den in denselben Räumlichkeiten befindlichen Imbiss "C......" geschlossen. Sie hat der Beklagten den Versicherungsfall mit Online-Schadensformular am 24.03.2020 angezeigt. Mit Schreiben vom 25.03.2020 hat die Beklagte eine Einstandspflicht abgelehnt. Mit der vorliegenden Teilklage macht die Klägerin die Tagesentschädigung i.H.v. 3.000,- EUR für den Zeitraum vom 01.04 - 05.04.2020 (= 5 Arbeitstage) abzüglich eines Selbstbehaltes von 2 Arbeitstagen geltend. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf das angefochtene Urteil ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, aufgrund der weit gefassten Versicherung "All Inclusive" und der Versicherungsbedingungen, d...