Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 21.12.2016; Aktenzeichen 3 O 2205/16 EV) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Dresden vom 21.12.2016 - 3 O 2205/16 - aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin (Kl.), eine Fraktion im Sächsischen Landtag, nimmt die Verfügungsbeklagte (Bekl.), bei der es sich ebenfalls um eine Landtagsfraktion handelt, auf Unterlassung verschiedener Äußerungen aus einem bei der Veranstaltung "öffentlicher Landtag zur Einheitsfeier" am 2.10.2016 verbreiteten Flyer im Wege der einstweiligen Verfügung in Anspruch. Auf der Vorderseite des Flyers heißt es: "CDU, SPD & AfD sind gegen Volksentscheide. Wir nicht. Die LINKE FRAKTION im Sächsischen Landtag". Auf der Rückseite wird zunächst auf einen von der Bekl. zusammen mit der Fraktion DIE GRÜNEN im sächsischen Landtag eingebrachten Gesetzentwurf (Drs. 6/1088) hingewiesen, der im Sächsischen Landtag abgelehnt wurde. Sodann finden sich dort u.a. folgende Passagen: "... Auch die AfD, die sich gern als Vorkämpferin in der direkten Demokratie darstellt, lehnte ab. Was stand nochmal auf deren Wahlplakaten? "Die Schweiz ist für Volksentscheide. Wir auch!" So viel zum Thema Glaubwürdigkeit"..."
"... Die CDU und ihre wechselnden Koalitionspartner verhindern sie allerdings, gemeinsam mit der AfD..."
"... CDU, SPD und AfD trauen den Menschen offenbar nicht zu, Für und Wider abzuwägen, mitzudiskutieren..."
Einen Hinweis auf einen von der Kl. am 13.6.2016 (LT-Drs. 6/5391) eingebrachten Entwurf eines "Gesetzes zur Weiterentwicklung der sachunmittelbaren Demokratie im Freistaat Sachsen" enthält der Flyer nicht. Die Kl. hat die Auffassung vertreten, die Bekl. habe durch diese Äußerungen bei gleichzeitigem Verschweigen der gesetzgeberischen Initiative der Klägerin eine bewusst unvollständige Tatsachengrundlage behauptet, um bei den Lesern einen falschen Eindruck zu erwecken und hierdurch der Klägerin bewusst zu schaden. Dies sei einer unwahren Tatsachenbehauptung gleichzustellen, an deren Verbreitung kein berechtigtes Interesse bestehe. Die hieraus folgenden Unterlassungsansprüche könne die Kl. als eigenständiges Rechtssubjekt nach § 1 Abs. 2 des sächsischen Fraktionsrechtsstellungsgesetzes (FraktRStG SN) gegenüber der Bekl. im Zivilrechtsweg verfolgen. Sie hat im Hauptantrag uneingeschränkt, im Hilfsantrag eingeschränkt Unterlassung der streitgegenständlichen Behauptungen beantragt. Es wird insofern auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, als Fraktionen seien die Parteien Untergliederungen des sächsischen Landtages und damit öffentlich-rechtliche Vereinigungen, die sich nicht auf den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen könnten. Streitigkeiten zwischen ihnen seien auch nicht vor dem Zivilgericht, sondern als verfassungsrechtliche Streitigkeit vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof auszutragen, wobei sich auch die Bekl. auf die in Art. 55 SächsVerf gewährleistete Indemnität berufen könne. Der Antrag sei überdies zu unbestimmt und damit unzulässig, weil sich aus ihm nicht ergebe, um welche Tatsachen die Bekl. die in dem Flyer enthaltenen verdeckten Behauptungen ergänzen müsse, um sie zulässigerweise weiter verbreiten zu dürfen. Unabhängig hiervon liege aber auch die von der Kl. für sich in Anspruch genommene bewusste Unvollständigkeit nicht vor; es könne der Bekl. nicht angesonnen werden, im Rahmen des politischen Meinungskampfes ihr Informationsmaterial über eigene Gesetzesinitiativen um Informationen zu Gesetzgebungsvorhaben der Bekl. zu ergänzen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Kl. selbst in der politischen Auseinandersetzung zum Mittel typischer Pauschalherabsetzungen greife. Soweit sich der Flyer mit anderen Fraktionen auseinandersetze, bleibe unerfindlich, worin eine Rechtsverletzung der Kl. liegen solle.
Das LG hat dem Hauptantrag der Kl. entsprochen und der Beklagten die aufgeführten Behauptungen untersagt, wenn dies wie in dem Flyer wiedergegeben erfolgt. Zur Begründung hat es ausgeführt, Fraktionen seien nichtrechtsfähigen Vereinen gleichgestellt, die unter ihrem Namen klagen und verklagt werden könnten. Die Bekl. könne sich auch nicht darauf berufen, mit dem Flyer lediglich die Öffentlichkeit über ihre Ziele und Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 4 FraktRStGSN informiert zu haben, weil sie sich dort explizit mit dem politischen Gegner auseinandersetze. Eine vergleichende Kritik an einem politischen Gegner falle aber nicht unter den Schutzbereich des FrakRStG SN, es handele sich vielmehr um eine zivilrechtliche Streitigkeit. Auf den Schutz des Art. 55 SächsVerf, der sich lediglich auf Abgeordnete beziehe, könne sich die Bekl. nicht berufen, der Verfügungsantrag sei auch nicht zu unbestimmt, eine Erweiterung hinsichtlich des unterschlagenen Teils würde die Bekl...