Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 28 O 369/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 16.01.2019 (28 O 369/18) abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die einstweilige Verfügung vom 04.10.2018 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin, eine Fraktion des thüringischen Landtages, begehrt von den Verfügungsbeklagten Unterlassung der Äußerung "Schon 2015 habe eine Abgeordnete der hiesigen AfD-Fraktion eine Kleine Anfrage eingereicht, in der sie eine Zählung aller Homo-, Bi- und Transsexuellen in Thüringen verlangte", die die Verfügungsbeklagte zu 2) in einem auf der Homepage der Verfügungsbeklagten zu 1) - ebenfalls Fraktion des thüringischen Landtages - im September 2018 veröffentlichten und nachstehend eingeblendeten Beitrag mit dem Titel "Verfassungsfeindlichkeit der AfD ist schon länger offenkundig" getätigt hat:
((Abbildung))
Dieser Beitrag der Verfügungsbeklagten zu 2), der innenpolitischen Sprecherin der Verfügungsbeklagten zu 1), stand im Zusammenhang mit der damals aktuellen Debatte um eine Beobachtung der AfD durch Verfassungsschutzbehörden. Hintergrund der hier konkret angegriffenen Passage war wiederum eine Kleine Anfrage der AfD-Abgeordneten A. vom 01.09.2015 (Nr. 492, Anlage A 4, AH), die nachstehenden Inhalt hatte:
"Lesbische, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle und Intersexuelle (LSBTI) in Thüringen
Laut Koalitionsvertrag (Seite 27) fühlt sich die Koalition verpflichtet, Akzeptanz und Gleichstellung aller Lebensweisen zu befördern. Homosexuelle, Bi- und Transsexuelle, Transgender und intergeschlechtliche Menschen sollen in Thüringen laut Koalitionsvertrag diskriminierungsfrei und gleichberechtigt leben können und weder im Alltag noch durch Verwaltungshandeln benachteiligt werden.
Das Maßnahmenbündel, welches die Landesregierung vorsieht, beinhaltet vor allem die Entwicklung eines Landesprogramms für Akzeptanz und Vielfalt, das in einem gleichberechtigten Dialog von Vereinen und Initiativen aus dem LSBTI-Bereich einerseits und dem Land sowie den Kommunen andererseits Maßnahmen zur Überwindung diskriminierender Regelungen und Verfahren beschreiben sowie die Weiterbildung für Beschäftigte im öffentlichen Dienst sowie den Bildungseinrichtungen des Landes zu diesem Thema befördern soll.
Ich frage die Landesregierung:
1. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, wie viele Homosexuelle, Bi- und Transsexuelle, Transgender und intergeschlechtliche Menschen in Thüringen leben?
2. Wenn Frage 1 mit Ja beantwortet wird: Woher stammen die Erkenntnisse der Landesregierung?
3. Wie viele Homosexuelle, Bi- und Transsexuelle, Transgender und intergeschlechtliche Menschen leben in Thüringen (bitte nach einzelnen Gruppen aufschlüsseln) und wie viel Prozent der Bevölkerung Thüringens entspricht dies jeweils?
4. Falls Frage 1 mit Nein beantwortet wird: Woraus ergibt sich die Erkenntnis der Landesregierung, dass die Homosexuellen, Bi- und Transsexuellen, Transgender und intergeschlechtliche Menschen eine Gruppe bilden, die in Thüringen besonders schutzbedürftig ist?
5. Wie viele Fälle von Diskriminierung von Homosexuellen, Bi- und Transsexuellen, Transgender und intergeschlechtlichen Menschen sind seit dem Jahr 1991 bekannt (bitte aufschlüsseln nach Jahressescheiben)? Was wird dabei jeweils unter Diskriminierung verstanden?
6. Wie viele Übergriffe auf Homosexuelle, Bi- und Transsexuelle, Transgender und intergeschlechtliche Menschen sind seit dem Jahr 1991 polizeibekannt (bitte aufschlüsseln nach Jahressescheiben und Tatbestand)?
7. Welche diskriminierenden Regelungen und Verfahren sind in Thüringen konkret existent? Wie plant die Landesregierung gegen diese vorzugehen?
8. Welche Weiterbildungsangebote aus dem LSBTI-Bereich für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und an den Bildungseinrichtungen des Landes sind der Landesregierung bekannt? Welche Weiterbildungsangebote zu diesem Themenbereich sollen neu geschaffen werden?
9. In welcher Höhe werden Mittel für die Entwicklung eines Landesprogramms für Akzeptanz und Vielfalt benötigt (bitte geplante Höhe aufschlüsseln nach Haushaltsjahr)?
10. Welche Laufzeit soll das Landesprogramm für Akzeptanz und Vielfalt haben?"
Wegen der Antwort der Landesregierung auf diese Anfrage wird auf die Landtagsdrucksache 6/1191 (Anlage 1, AH II) Bezug genommen. Zu den Fragen 1 - 4 hieß es dort u.a. "Nein, und das ist gut so. Die Zeiten des Erfassens solcher Angaben sind vorbei..." Die Kleine Anfrage führte seinerzeit zu Presseveröffentlichungen, in denen die Anfrage u.a. so gedeutet worden war, als wolle man die benannten Bevölkerungsgruppen zählen lassen (vgl. etwa Tagesspiegel vom 12.10.2015 - Anlage 2, AH II). Auch die Fraktion der Grünen im Thüringer Landtag fasste als Reaktion die kleine Anfrage mit den Worten zusammen, dass die Verfügungsklägerin "eine Liste von LSBTI wolle." ...