Leitsatz (amtlich)
Die Berechtigung eines Straßenbahnführers, auf sein gegenüber einem LKW bestehendes Vorrecht in einer Engstelle zu vertrauen, entfällt bei der Annäherung an eine unklare Verkehrssituation. Eine solche Situation liegt auch dann vor, wenn aufgrund einer tatsächlichen Übung an der Unfallstelle dieses Vorrecht regelmäßig nicht in Anspruch genommen wird und der Straßenbahnführer diese Übung kennt.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 3 O 2393/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 11.1.2019 abgeändert und wie folgt neu gefasst
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 187,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.9.2017 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 93,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.9.2017 zu zahlen.
3. Die Klägerin sowie die Drittwiderbeklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte zu 1) 10.438, 25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.6.2017 zu zahlen.
4. Im Übrigen werden die Klage sowie die Wider- und Drittwiderklage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung werden zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden wie folgt verteilt:
1. Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 70 %, davon gesamtschuldnerisch mit den Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) zu 67 %, die Beklagte zu 1) zu 30 %, davon gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 2) zu 3 %. Kosten die durch die Verweisung vom Amts- an das Landgericht entstanden sind, trägt die Klägerin.
2. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt diese zu 70 %, die Beklagte zu 1) zu 30 %, davon gesamtschuldnerisch zu 3 % mit dem Beklagten zu 2). Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin zu 70 %, davon gesamtschuldnerisch zu 67 % mit den Drittwiderbeklagten zu 1) und 2). Die außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) trägt die Beklagte zu 30 %, im Übrigen tragen diese ihre Kosten selbst. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt dieser zu 1/3, die Klägerin zu 2/3.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf bis zu 12.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. (von der Aufnahme des Tatbestandes wird abgesehen, §§ 540, 325 ZPO)
II. Die Berufung der Beklagte ist zulässig und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der Beklagten steht gegenüber der Klägerin und den Drittwiderbeklagten ein Schadensersatzanspruch auf der Basis einer Haftungsquote von 70% zu. Die Klägerin kann demgegenüber Ansprüche gegenüber beiden Beklagten auf der Basis einer Haftungsquote von 30% geltend machen.
1. Die Klägerin und die Drittwiderbeklagten haften nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG für die Schäden, die bei dem Betrieb des von dem Drittwiderbeklagten zu 2) geführten und bei der Drittwiderbeklagten zu 1) versicherten LKW entstanden sind, die Beklagte zu 1) haftet für die Betriebsgefahr der Straßenbahn gemäß § 1 Abs. 1 HPflG, der Beklagte zu 2) aus § 823 BGB. Hierbei sind die jeweiligen Verursachungsbeiträge der Beteiligten gemäß §§ 17, 18 Abs. 3 StVG bzw. § 13 Abs. 2 HPflG abzuwägen. Bei dieser Abwägung kommt es nach dem Gesetz insbesondere darauf an, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. In jedem Fall sind in ihrem Rahmen unstreitige bzw. zugestandene oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 21. November 2006 - VI ZR 115/05 -, Rn. 15, juris)). Jeder Halter hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er die nach der Abwägung günstigen Rechtsfolgen herleiten will (BGH, Urteil vom 13. Februar 1996 - VI ZR 126/95 -, Rn. 11, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05. Dezember 2017 - I-1 U 33/17 -, Rn. 17, juris).
2. Die hiernach jeweils maßgeblichen Verursachungsbeiträge hat das Landgericht nur zum Teil berücksichtigt, die von ihm ermittelte Haftungsquote von 80:20 zu Lasten der Beklagten berücksichtigt überdies das deutlich überwiegende Verschulden des Drittwiderbeklagten zu 2), das sich die Klägerin zurechnen lassen muss, nicht.
a) Der Drittwiderbeklagte zu 2) hat nach den von keiner der Parteien in Zweifel gezogenen Feststellungen des Sachverständigen T... im unfallanalytischen Gutachten vom 26.10.2018 einen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot nach § 2 Abs. 2 StVO zu vertreten. Unter Bezug auf die Anlagen C 1 und C 7 hat er in auch für den Senat überzeugender Weise dargelegt, dass der von dem Drittwiderbeklagten zu 2) geführte LKW ca. 1,80m Abstand von der rechten Fahrzeugflanke zum rechten Fahrbahnrand gehalten hat und auch unter Berücksichtigung der im Bereich der Unfallverengung stehenden Straßenbäume und der ...