Leitsatz (amtlich)
1. Fehler bei der Anwendung eines Geschäftsverteilungsplanes führen - anders als Fehler bei dessen Aufstellung - nur dann zu einem Verstoß gegen das Prozessgrundrecht auf den gesetzlichen Richter, wenn sie unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar sind; ein "schlichter Verfahrensirrtum" reicht hierfür nicht aus.
2. Hat bei einer Stufenklage das erstinstanzliche Gericht die Klage abgewiesen und verurteilt das Berufungsgericht zur Auskunftserteilung auf der ersten Stufe, ist regelmäßig wegen der weiteren Stufen eine Aufhebung und Zurückweisung geboten.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 02 O 3444/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 28.06.2019 - 2 O 3444/18 - im Kostenpunkt und hinsichtlich des Klageantrags zu 3.) aufgehoben und im Übrigen hinsichtlich des Klageantrages zu 2.) wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, gegenüber der Eigentümergemeinschaft K ... Straße ... in L ..., über die Einnahmen aus dem Mietverhältnis zwischen Beklagter und Herrn Dr. W ... O ... sowie Frau M ... B ... für die Wohnung im 1. Obergeschoss rechts des Gebäudes K ... Straße ... in L ... in den Jahren 2016 und 2017 abzurechnen.
II. Die Sache wird zur Entscheidung über den Klageantrag zu 3.), die sich aus der Abrechnung nach Ziffer 2.) ergebenden Nettoeinnahmen an die Eigentümergemeinschaft K ... Straße xx in 00000 L ... zu zahlen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszins seit dem 05.01.2018 sowie darüber hinaus zur Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf bis zu 13.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Berufung ist zulässig und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Die Regelung des § 513 Abs. 2 ZPO steht der Zulässigkeit nicht entgegen, wenn - wie hier - ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) gerügt wird (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. Juli 2012 - 9 U 204/11 -, Rn. 32 - 37, juris; OLG München, Beschluss vom 31.05.2011 - 1 U 1122/11 -, juris). Auch Fehler in der Anwendung der Geschäftsverteilung können mit der Berufung geltend gemacht werden (ebenso zur gleichartigen Problematik in der Revisionsinstanz gemäß § 545 ZPO BGH, NJW 2009, 1351).
2. Das angefochtene Urteil ist indes nicht unter Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters gem. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergangen.
a) Nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Welcher Richter des zuständigen Gerichts der "gesetzliche Richter" im Sinne der Verfassung ist, ist durch einen Geschäftsverteilungsplan im Voraus generell-abstrakt, aber zugleich hinreichend bestimmt zu regeln, so dass Manipulationen und damit verbunden sachfremde Einflüsse auf die Rechtsprechung ausgeschlossen sind (BVerfG NJW 1997, 1497, 1498). Genügt ein Geschäftsverteilungsplan diesen Anforderungen nicht, ist das Gericht, das seine Zuständigkeit aus ihm ableitet, nicht ordnungsgemäß besetzt (BVerfG NJW 2005, 2689, 2690). Die Rechts- und Verfassungsmäßigkeit der Geschäftsverteilung ist - anders als die Auslegung und Würdigung des Geschäftsverteilungsplans durch das erkennende Gericht - nicht nur auf Willkür, sondern auf jeden Rechtsverstoß zu untersuchen (BVerfG NJW 2005, 2689, 2690; BVerwG NJW 1987, 2031, 2032; BGH, Urteil vom 16. Oktober 2008 - IX ZR 183/06 -, Rn. 3, juris; Zöller/Lückemann, ZPO 33. Aufl. § 21e GVG Rn. 51). Ein solcher Verstoß liegt hier nicht vor, denn die im Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts geregelte, auf Kriterien einer "Sonderzuständigkeit" oder "Vorbefasstheit" beruhende abstrakte Verteilung der Geschäfte auf die Kammern des Landgerichts lässt einen Rechtsverstoß nicht erkennen. Ein solcher Verstoß wird von der Klägerin auch nicht gerügt.
b) Fehler bei der Anwendung des Geschäftsverteilungsplanes bedeuten demgegenüber grundsätzlich nur einen Eingriff in das Prozessgrundrecht auf den gesetzlichen Richter, wenn sie auf Willkür beruhen, d. h. eine Zuständigkeitsentscheidung objektiv nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar ist. "Objektive Willkür" in diesem Sinne ist immer dann anzunehmen, wenn eine Entscheidung unter keinem Gesichtspunkt sachlich vertretbar erscheint (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O. m.w.N. - juris; Zöller/Lückemann, a.a.O., Rn. 53 m.w.N). Ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters ist hiernach nicht anzunehmen, wenn eine Entscheidung zur Zuständigkeit zumindest vertretbar erscheint oder dem betreffenden Gericht ein "schlichter Verfahrensirrtum" unterlaufen ist (vgl. Müller-Terpitz in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf a.a.O., Art. 101 GG, Rdnr. 20; Jacobs in Stein/Jonas a.a.O., § 16 GVG, Rdnr. 13).
Die Zuweisung des vorliegenden Rechtsstreits an die 2. Zivilkammer wegen Vorbefasstheit war auf der Grundlage der mit Verfügung des Präsident...