Leitsatz (amtlich)
Eine Klausel in den Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung, die meldepflichtige Erkrankungen als "die im Folgenden, - nach dem Bundesseuchengesetz meldepflichtigen - Krankheiten" definiert und diese sodann im Einzelnen auflistet, ist nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers als abschließend zu verstehen; eine Erstreckung auf Betriebsschließungen aufgrund von SARS-VOV2/Covid-19 scheidet aus.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 1876/20) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichtes Dresden vom 20.04.2021 - 8 O 1876/20 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Gegenstand des Berufungsverfahrens wird auf 82.410,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin betreibt seit Oktober 2014 das Hotel ... mit Restaurant in der Sächsischen Schweiz. Der frühere Betreiber des Hotels ... mit der Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung unter Einbeziehung ihrer AVB (Versicherungsschein vom 01.06.2005, Anlage K 1). Die maximale tägliche Entschädigung beträgt 2.747,00 EUR/Tag für 30 Tage. Die AVB enthalten u.a. folgende Regelungen:
§ 1 Gegenstand der Versicherung
1. Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass von der zuständigen Behörde
a) der versicherte Betrieb zur Verhinderung der Verbreitung von Seuchen geschlossen wird ...
2. Seuchen sind die im Folgenden aufgeführten - nach dem Bundesseuchengesetz meldepflichtigen - Krankheiten:
Botulismus, ...
§ 2 Versicherungsleistung; Bereicherungsverbot; Begrenzung der Entschädigung
1. Der Versicherer ersetzt:
a) bei Schließung
im Falle des § 1 Nr. 1a den Schließungsschaden durch Zahlung der vereinbarten Tagesentschädigung für jeden Tag der Betriebsschließung bis zur Dauer von 30 Schließungstagen. Tage, an denen der Betrieb auch ohne die behördliche Schließung geschlossen wäre, zählen nicht als Schließungstage.
Das Corona-Virus ist in der Aufzählung nicht enthalten. Nach einer besonderen Vereinbarung besteht für die Hotelschließung in den Monaten von Januar bis März kein Versicherungsschutz. Mit der Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 31.03.2020 wurde die Schließung von Gaststätten - mit Ausnahme des Außerhausverkaufes - angeordnet und Übernachtungsangebote dem Hotel im Inland nur zu notwendigen und ausdrücklich nicht zu touristischen Zwecken gestattet. Aufgrund weiterer Allgemeinverfügungen und Verordnungen blieb die Schließung bis 14.05.2020 angeordnet. Die Klägerin meldete Ansprüche bei der Beklagten an und die Beklagte lehnte ihre Eintrittspflicht ab.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ein versichertes Ereignis vorliege. Der Hinweis auf das Bundesseuchengesetz deute auf eine dynamische Verweisung hin. Die Beklagte wollte Versicherungsschutz nach dem Infektionsschutzgesetz gewähren, was die Dynamik belege. Andernfalls wäre die Vertragsklausel unklar und nicht verständlich. Eine klare Formulierung hätte durch Weglassen des Einschubs formuliert werden können. Versichert sei auch der Pandemiefall. Wenn nur intrinsische Gefahren versichert werden sollten, sei nicht verständlich, weshalb für 30 Schließungstage Versicherungsschutz gewährt werde. Es dürften kaum intrinsische Gründe für einen Versicherungsfall denkbar sein, der länger als 30 Tage andauere. Unabhängig von der Wirksamkeit der behördlichen Maßnahmen, seien diese sofort vollziehbar gewesen. Die Klägerin betreibe ihr Hotel mit Restaurant in einer Touristenregion und habe zu 98 % touristische Kunden. Im April 2020 habe sie lediglich 28 von 2.970 Betten vermieten können, was einer Auslastung von unter 1 % entspreche. Ein außer Haus Verkauf von Speisen sei wegen des hochpreisigen Angebotes und der fehlenden Nachfrage vor Ort nicht in Betracht gekommen. Die Tagesentschädigung sei angemessen. Staatliche Zuschüsse habe sie nicht erhalten. In Betracht komme auch ein Schadensersatzanspruch nach § 6 VVG wegen Verletzung der Beratungsobliegenheit. Schon mit der Übernahme des Vertrages am 01.10.2014 sei die Auflistung der Krankheitserreger nicht mehr aktuell gewesen. Hätte die Beklagte darauf hingewiesen, hätte sich die Klägerin um eine Aktualisierung bemüht.
Die Beklagte meint, es bestehe kein Versicherungsschutz. Der Krankheitserreger sei nicht im Katalog in den Versicherungsbedingungen aufgeführt und dieser sei abschließend. Dies werde auch ein durchschnittlicher geschäftserfahrener und gewerblich tätiger Versicherungsnehmer so verstehen. Des Weiteren werde die Wirksamkeit der zugrunde liegenden Rechtsverordnung gerügt. Einer nichtigen behördlichen Anordnung sei keine Wirkung beizumessen. Versicherungssch...