Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem der Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt wird, ist auch dann durch Urteil zu treffen, wenn ein zunächst angesetzter Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben und die Entscheidung im schriftlichen Verfahren getroffen wird.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 619/20) |
Tenor
I. Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten im Fall der Uneinbringlichkeit des Ordnungsgeldes untersagt, im Internet und/oder auf sonstige Weise wörtlich und/oder sinngemäß gegenüber Dritten das Folgende zu behaupten und/oder behaupten zu lassen:
"Dass einer der genannten Redakteure im Impressum von "www...-..." B... Rechtsanwalt ist, wirft Fragen auf."
wie geschehen mit der Veröffentlichung unter https://xxx-... ... (Anlage AST 6)
II. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Auf die zulässige sofortige Beschwerde war der Beschluss des Landgerichts abzuändern. Da der Senat ins Urteilsverfahren übergegangen ist, war die Entscheidung durch Endurteil zu treffen (Senat, Beschluss vom 14. November 2011 - 4 U 1557/11 -, juris m.w.N.). Die nach Aufhebung des Termins vom 23.6.2020 von beiden Parteien erklärte Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO hat die Verfügungsbeklagte (Beklagte) nicht wirksam widerrufen. Eine wesentliche Änderung der Prozesslage liegt nicht vor. Die mit Schriftsätzen vom 14. und 15.7. erhobene Behauptung, der Verfügungskläger (Kläger) habe von der streitgegenständlichen Äußerungen bereits seit Dezember 2018 Kenntnis gehabt, findet sich bereits im Schriftsatz vom 9.6.2020, die Artikel des Klägers, aus denen der Beklagte diese Kenntnis herleitet, tragen das Datum 1.1.2019.
1. Der Verfügungsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB anlog i.V.m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG. Die Auffassung des Landgerichts, bei der streitgegenständlichen Äußerung handele es sich um eine wertneutrale Falschbehauptung, teilt der Senat nicht. Wie jede Äußerung, ist die Äußerung im Kontext des Artikels zu würdigen, in dem sie sich befindet. Dabei ist dem Landgericht insofern beizupflichten, als die in dem Artikel enthaltene offene Äußerung, einer der im Impressum genannten Redakteure sei der Rechtsanwalt des Klägers, diesen noch nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Bei der Auslegung kann indes nicht außer Betracht bleiben, dass sie zusätzlich noch eine weitere, verdeckte Behauptung enthält, die dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung aufgedrängt wird: In dem vorausgehenden Absatz des als Anlage Ast 5 vorgelegten Artikels wird dem Kläger nämlich vorgeworfen, nach außen vorzugeben, ein "mehrköpfiges Team" für die Redaktion der Seite www...-... zu beschäftigen, während er tatsächlich sämtliche Artikel allein erstelle. In diesem Zusammenhang kann der Leser die Behauptung "Dass einer der genannten Redakteure im Impressum... B... Rechtsanwalt ist" nur dahingehend verstehen, der Kläger habe seinen Rechtsanwalt als Redakteur aufgeführt, um diesen Umstand zu verschleiern. In diesem Sinne ist die Behauptung jedoch nicht wertneutral, weil hiermit der in der Überschrift erhobene Vorwurf der Unseriösität begründet und dem Leser nahegelegt wird, die über die Verfügungsbeklagten verfassten Artikel gäben lediglich die schlecht recherchierte Einzelmeinung des Klägers wieder, möglicherweise verstoße der Kläger überdies gegen die Impressumspflichten nach § 55 Abs. 2 RStV.
Der Kläger hat jedoch glaubhaft gemacht, dass es sich bei dem aufgeführten Redakteur "M. R..." nicht um seinen Rechtsanwalt und Prozessbevollmächtigten M... R... handelt. Dies steht in Einklang mit den im Internet aufgeführten weiteren Erklärungen hierzu. So heißt es auf der Seite https://yyy.yyy/yyy-yyy-yyy/: "Neben diesem Portal ist T... B... von weiteren Portalen der verantwortliche Redakteur. Hierzu zählen... www.www...-... Neben T... B...... gibt es derzeit insgesamt 8 Personen, die Artikel für die ... hier aufgeführten Plattformen verfassen: ...M... R..."
Auch im Rahmen der sekundären Darlegungslast war der Kläger trotz des Bestreitens der Beklagten nicht gehalten, weiter zu dem vollständigen Vornamen des im Impressum von www...-... aufgeführten M. R... vorzutragen. Die Beklagte kann nicht lediglich bestreiten, dass es sich bei der dort aufgeführten Person und dem Klägervertreter nicht um dieselbe Person handelt, weil nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transportierten Beweisregel des § 186 Abs. 2 StGB der Äußernde die Beweislast für die Wahrheit der von ihm aufgestellten Behauptung trägt (vgl. nur BGH, Urteil vom 11.12.2012 - VI ZR 314/10 - juris Senat Beschluss vom 07. Januar 2019 - 4 W 1149/18 -, Rn. 19, juris). Eine Rechtfertigung nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung scheidet s...