Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtteilsrecht
Leitsatz (redaktionell)
Die Vorschriften der §§ 2333, 2335, 2336 BGB finden Anwendung, wenn ein Testament noch zu Zeiten der Geltung des ZGB errichtet wurde, die Erblasserin aber nach Wirksamwerden des Beitritts verstorben ist.
Normenkette
EGBGB Art. 235 § 1; BGB §§ 2333, 2335-2336
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 23.04.1998; Aktenzeichen 13 O 6982/97) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden, 13. Zivilkammer, vom 23. April 1998 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Beschwer des Beklagten beträgt DM 38.071,63.
Tatbestand
Der Kläger – Sohn des Beklagten – macht gegen diesen seinen Pflichtteilsanspruch nach der am 28.05.1996 verstorbenen Mutter des Klägers und Ehefrau des Beklagten (im folgenden: Erblasserin) geltend. Die Erblasserin hinterließ als gesetzliche Erbin außer ihrem Ehemann und dem Kläger noch die Tochter.
Die Parteien streiten im wesentlichen darum, ob die Erblasserin dem Kläger wirksam den Pflichtteil entzogen hat.
Die Erblasserin hat gemeinsam mit dem Beklagten unter dem 29. August 1989 ein Testament errichtet mit folgendem Wortlaut:
„Gegenseitiges Testament.
Wir, Frau E U H geb. T und Herr H H H, beide, setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein. Der Überlebende soll frei über das ererbte Vermögen verfügen und auch hierüber wieder testamentarisch bestimmen können. Sollte der Überlebende kein neues Testament anfertigen, so ist die Alleinerbin unsere Tochter geb. H, wohnaft. Sollte unser Sohn H H H beim Tode des Zuerst- oder Zuletztverstorbenen einen Teil unseres Vermögens fordern, so bemerken wir, daß wir ihm den Pflichtteil bzw. jegliches Erbe entziehen, weil er die elterlichen Pflichten seinem Vater gegenüber auf das gröblichste verletzt hat.
, 29. August 1989
Die Erblasserin hat ferner am 20.01.1968 gemeinsam mit dem Beklagten ein Testament errichtet, in dem die Ehegatten sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben und folgendes bestimmt haben:
„Sollte unser Sohn H H H bei dem Tode des zuerst Verstorbenen seinen Pflichtteil fordern, so bemerken wir, daß wir ihm den Pflichtteil entziehen, weil wider unseren Willen einen ehrlosen und unsittlichen Lebenswandel geführt hat.”
Der Kläger hat sich zunächst einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/4 des Gesamtnachlasses – dessen Umfang unstreitig ist – errechnet und diesen auf entsprechenden Hinweis des Beklagten reduziert auf 1/8 = DM 38.071,63.
Zur vom Beklagten behaupteten Pflichtteilsentziehung trägt der Kläger vor, die Voraussetzungen des § 2333 Abs. 1 Ziff. 5 BGB seien nicht erfüllt. Die Vorwürfe würden im Testament nicht genügend konkretisiert.
Im übrigen habe er weder einen „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandel geführt” noch „die elterlichen Pflichten seinem Vater gegenüber auf das gröblichste verletzt”.
Die als Gründe angeführten angeblichen Differenzen der Parteien seit dem Jahre 1967 seien kein Grund für eine Pflichtteilsentziehung. Er habe nach Absolvieren des Wehrdienstes das Fernstudium des Diplom-Agraringenieurs nach 5 Jahren mit Erfolg beendet. Gleichwohl habe der Beklagte ihn nicht in den elterlichen Betrieb aufgenommen. Er habe viele ungerechte Handlungen seines Vaters hinnehmen müssen. Während seine Schwester und sein Schwager in dem elterlichen Hühnerzuchtbetrieb tätig gewesen seien, habe er keine Anstellung erhalten. Seine Schwester und sein Schwager hätten an jedem Jahresende eine Prämie von jeweils DM 5.000,00 zusätzlich erhalten. Außerdem habe seine Schwester großzügige Geschenke, Wohnungseinrichtung, Kauf von Grundstücken usw. bekommen. Die Differenzen zwischen dem Kläger und dem Beklagten hätten schließlich darin gegipfelt, daß der Beklagte dem Kläger es untersagt habe, das Elternhaus zu betreten. Nicht einmal zu seiner Hochzeit seien der Beklagte und die Erblasserin gekommen. Die Erblasserin habe er nur heimlich besuchen können.
Im Herbst 1993 sowie im Januar und Februar 1994 sei der Kontakt zwischen den Parteien wieder aufgelebt. Der Beklagte habe ihn im Betrieb beschäftigen wollen und verlangt, daß er seine bisherige Tätigkeit aufgebe. Mit dem 01.05.1994 habe der Kläger ein neues Arbeitsverhältnis in der elterlichen GmbH aufgenommen. Der Beklagte habe jedoch am ersten Tag bei Arbeitsbeginn eine Einlage von DM 500.000,00 bzw. dann DM 300.000,00 verlangt. Damit sein ein weiteres Arbeitsverhältnis nicht möglich gewesen und der Kläger sei zunächst arbeitslos gewesen.
Anfang Mai bis Ende September 1996 habe er in dem elterlichen Betrieb gearbeitet und dafür monatlich DM 500,00 erhalten. Im Mai 1996 sei vorgesehen gewesen, einen weiteren Arbeitsvertrag mit einem Arbeitslohn i.H.v. DM 2.700,00 bis DM 3.000,00 abzuschließen. Als der Kläger erfahren habe, daß seine Schwester und sein Schwager mehrheitlich in der elterlichen GmbH mit nahezu 90 % beteiligt seien, habe er von dem Arbeitsvertrag Abstand genommen, da er befürchtet habe, wieder ent...