Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtteilsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 2336 Abs. 2 BGB muß der Grund der Entziehung in der Verfügung angegeben werden. Hierfür ist erforderlich, daß der Erblasser sich mit seinen Worten auf bestimmte konkrete Vorgänge unverwechselbar festlegt und den Kreis der in Betracht kommenden Vorfälle praktisch brauchbar eingrenzt (vgl. BGHZ 94, 36). Wesentlich ist, daß ein Kernsachverhalt im Testament angegeben ist (BGH a.a.O., 40). Es geht nämlich nicht darum, daß der Erblasser zum Ausdruck bringt, unter welchen der im Gesetz angeführten Entziehungstatbestände er seinen Entziehungsgrund einordnet, sondern es kommt auf eine sachverhaltsmäßige Konkretisierung des Grundes an, auf den er die Entziehung stützen will.

2. Nach § 2333 Nr. 5 BGB kann der Pflichtteil entzogen werden, wenn der Abkömmling einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel führt. Unter Lebenswandel ist ein dauerndes, auf einem Hang beruhendes Verhalten zu verstehen. Einzelhandlungen, auch wenn sie als solche ehrlos oder unsittlich sind, genügen nicht.

 

Normenkette

BGB § 2333

 

Verfahrensgang

LG Köln (Teilurteil vom 21.11.1996; Aktenzeichen 15 O 499/95)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 21. November 1996 verkündete Teilurteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 15 O 499/95 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kläger ist einziger Sohn der am 6. April 1995 verstorbenen Frau K.B. und des bereits am 19. Oktober 1980 verstorbenen Dr. W.B.. Frau K.B. setzte mit notariellem Testament vom 11. November 1991 – UR-Nr. 1434/91 des Notars Dr. L. in K. – den Beklagten zum alleinigen Erben ein und hob alle vorhergehenden letztwilligen Verfügungen ausdrücklich auf. Das Testament, wegen dessen Einzelheiten auf die zu den Akten gereichte Ablichtung (Bl. 4, 5 GA) verwiesen wird, sieht unter Ziff. V u.a. folgendes vor:

„… meinem Sohn P. L. B. entziehe ich gemäß § 2333 Ziff. 2 und 5 BGB den Pflichtteil, weil er mich mehrere Male vorsätzlich körperlich mißhandelt und außerdem einen ehrlosen und unsittlichen Lebenswandel geführt hat …”

Dem Testament vom 11. November 1991 waren mehrere letztwillige Verfügungen der Erblasserin, zum Teil gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen Ehemann, vorausgegangen:

Durch Erbvertrag vom 18. Juli 1977 (UR-Nr. 491/1977 des Notars Dr. H. in K.-E.) hatten sich die Eheleute B. gegenseitig zu alleinigen Erben berufen. Zugleich hatten sie dem Kläger den gesetzlichen Pflichtteil entzogen, weil er gegen den Willen der Erblasser trotz wiederholter Ermahnungen und Warnungen einen ehrlosen Lebenswandel geführt habe. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, daß der Kläger seine Eltern wiederholt bestohlen und Einbrüche begangen habe.

Durch gemeinschaftliches Testament vom 18. April 1979 – UR-Nr. 297/79 des Notars Br. in K. – hoben die Eheleute B. den Erbvertrag vom 18. März 1977 auf. Sie setzten sich gegenseitig zu alleinigen Vorerben ein, zugleich wurde der Kläger vom Erstversterbenden zum Nacherben und vom Überlebenden zum alleinigen Erben eingesetzt. Nach § 7 war der Kläger von allen in dem gemeinschaftlichen Testament zu seinen Gunsten erteilten Zuwendungen ausgeschlossen, sofern er nach dem Tode des Erstversterbenden gegen den Willen des Überlebenden seinen gesetzlichen Pflichtteil verlangte.

Als der Kläger nach dem Tode seines Vaters Pflichtteilsansprüche gegenüber seiner Mutter geltend machte, kam es unter dem 2. Juli 1982 zu einer notariellen Abfindungsvereinbarung (UR-Nr. 1086/82 Notar Dr. H. in K.-E.). Gegen Zahlung eines Betrages von 25.000,00 DM sowie Übertragung einer Eigentumswohnung in A. erklärte sich der Kläger wegen aller Pflichtteilsansprüche am Nachlaß seines Vaters für endgültig abgefunden.

Durch Testament vom 30. Juli 1982 – UR-Nr. 1446/82 Notar Dr. H. in K. – berief die Erblasserin sodann unter Widerruf ihrer Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament vom 18. April 1979 den Verein Deutsche Krebshilfe e.V. in B. zum alleinigen Erben. Hinsichtlich des Klägers verfügte sie, sie wolle ihn „auf den Pflichtteil setzen”, weil er nach dem Tode seines Vaters seinen Pflichtteil gefordert habe und weil er sich durch eine Reihe von persönlichen Verfehlungen gegenüber der Erblasserin sowie gegenüber Dritten als Erbe unwürdig erwiesen habe.

Schließlich kam es am 11. November 1991 zu dem oben zitierten Testament, durch das der Beklagte zum alleinigen Erben berufen und dem Kläger der Pflichtteil entzogen wurde.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Pflichtteilsentziehung sei unwirksam. Er hat bestritten, die Erblasserin vorsätzlich körperlich oder seelisch mißhandelt zu haben. Zugleich hat er behauptet, er habe sich, als die Erblasserin sich geweigert habe, Unterhalt an ihn zu zahlen, an das Sozialamt gewandt, wo man ihn zur Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen aufgefordert habe. Daß er verschwenderisch oder geldgierig gewesen sei, hat der Kläger ebenso bestritten wie den Vorwurf, die Erblasserin be...

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