Leitsatz (amtlich)
1. Voraussetzung für die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch die Verbreitung einer Bild- und Tonaufnahme ist die Erkennbarkeit der Person.
2. Ob die Herstellung heimlicher Tonaufnahmen zu journalistischen Zwecken eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellt, kann nur aufgrund einer umfassenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden.
3. Die verdeckte Gabe von Medikamenten in einem Pflegeheim ist ein erheblicher Missstand, an dessen Aufdeckung ein gewichtiges öffentliches Interesse besteht; sie kann im Rahmen dieser Abwägung die Verbreitung einer heimlichen Tonaufnahme rechtfertigen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 802/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 22.5.2019 teilweise abgeändert und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Verfügungsklägerin zu 2) zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung der Verfügungsbeklagten zurückgewiesen.
II. Die Gerichtskosten tragen die Verfügungsbeklagten zu jeweils 1/4, die Verfügungsklägerin zu 2) zu 1/2. Die außergerichtlichen Kosten beider Verfügungsbeklagten tragen diese und die Verfügungsklägerin zu jeweils 1/2. Die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsklägerin zu 1) tragen die Verfügungsbeklagten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Beschluss:
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 15.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. (Von der Aufnahme des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 313a, 525, 542 Abs. 2 ZPO).
II. Die Berufung der Verfügungsbeklagten (Beklagten) ist zulässig und hat in der Sache aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB kann lediglich die Verfügungsklägerin (Klägerin) zu 1) geltend machen. Bezüglich der Klägerin zu 2) war das angefochtene Urteil abzuändern und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.
1. Die streitgegenständlichen Unterlassungsanträge sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits wegen Nichtangabe der Wohnanschrift der Klägerinnen unzulässig. Zwar muss entsprechend § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Antragsschrift u. a. die Bezeichnung der Parteien aufweisen. Damit ist indessen zunächst lediglich vorgeschrieben, dass, aber nicht wie die Parteien zu bezeichnen sind (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.1977 - VII ZR 167/76 -juris); erforderlich ist eine Kenntlichmachung der Parteien, die so bestimmt ist, dass über ihre Identität kein Zweifel bestehen kann. Hinsichtlich der mitzuteilenden Anschrift der Parteien ist § 253 Abs. 2 ZPO selbst kein zwingendes Erfordernis zu entnehmen; die durch § 253 Abs. 4 ZPO in Bezug genommene Norm des § 130 Nr. 1 ZPO stellt lediglich eine "Soll-Vorschrift" dar (vgl. hierzu BGH v. 9.12.1987 - IVb ZR 4/87- juris). Selbst für die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Beklagten die - anders als die Anschrift des Klägers - für die Zustellung der Klageschrift und damit die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses von Belang ist, hat der BGH eine Verpflichtung des Klägers, zwingend die Wohnanschrift des Beklagten anzugeben, verneint. Ausreichend sei die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, bei der die ernsthafte Möglichkeit bestehe, dass dort eine ordnungsgemäße Zustellung vorgenommen werden könne. Unter einer ladungsfähigen Anschrift in diesem Sinne sei nicht nur eine solche zu verstehen, unter der auch eine Ersatzzustellung in Betracht komme, sondern in "geeigneten Fällen" auch die Angabe der Arbeitsstelle sofern diese und der Zustellungsempfänger sowie dessen dortige Funktion so konkret und genau bezeichnet würden, dass von einer ernsthaften Möglichkeit ausgegangen werden kann, die Zustellung durch Übergabe werde gelingen; für den beklagten Arzt eines Krankenhauses sei dies der Fall (BGH, Urteil vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99 - juris). Unabhängig davon, dass im hier gegebenen Anwaltsprozess eine Zustellung an die Klägerseite jedenfalls gesichert ist, sind die Klägerinnen auch vorliegend an ihrer Arbeitsstätte hinreichend identifizierbar.
2. Zutreffend ist das Landgericht zumindest für das Verfügungsverfahren davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 1) in dem streitgegenständlichen Beitrag erkennbar dargestellt und damit eine Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts möglich ist. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die Erkennbarkeit die vollständige oder auch nur abgekürzte Namensnennung nicht voraussetzt, vielmehr die Übermittlung von Teilinformationen ausreicht, aufgrund derer der Betroffene begründeten Anlass hat anzunehmen, er könne innerhalb eines mehr oder minder großen Bekanntenkreises erkennt werden (Senat, Urteil vom 30.8.2016 - 4 U 314/16 n.v.). Ob der in diesem Zusammenhang vom Landgericht zitierten Rechtsprechung des OLG Saarbrücken (Urteil vom 29.4.2009, 5 U 465/08), das angenommen hat, es reiche bei der Berichterstattung über berufliche Umstände aus, wenn der Betroffene auch nur theoretisch von Arbeitskollegen erkannt werden könne, uneinges...