Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verfügungsgrund entfällt, wenn der Antragsteller länger als einen Monat untätig bleibt, bevor er einen Verfügungsantrag stellt. Von einer Selbstwiderlegung kann indes nicht ausgegangen werden, wenn der Antragsteller innerhalb dieser Frist abgemahnt wurde oder sich der Antragsteller um eine außergerichtliche Beilegung bemüht hat.
2. Wird über die wissenschaftliche Auffassung eines Dritten oder dessen politische Haltung berichtet, so liegt hierin nur dann eine eigene Meinungsäußerung des Äußernden, wenn über die bloße Mitteilung dieses Umstands für den Leser eine Bewertung dieses Sachverhalts erkennbar wird.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 1a O 1003/18 EV) |
Tenor
Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 20.7.2018 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 12.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Verfügungskläger (Kläger) ist Mitglied des XYX-Instituts für Z. Er wendet sich gegen die Berichterstattung in der von der Verfügungsbeklagten (Bekl.) verlegten "XXX Zeitung" vom 25.3.2018 sowie auf dem Portal www.xxx-online.de. Unter der Überschrift "Ein Extremismus-Forscher auf dem rechten Weg?" hatte der Verfasser dort über einen Auftritt des Klägers bei der Winterakademie des "Instituts für ZZ" in S... berichtet und u.a. über den Verfügungskläger ausgeführt:
"Er hatte 1999 den ...... ...streit ausgelöst, als er dem gescheiterten Hitler-Attentäter Georg Elser die moralische Legitimation für seinen Tötungsversuch im November 1939 absprach".
Seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat das Landgericht abgelehnt. Es könne dahinstehen, ob diese Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung anzusehen sei, jedenfalls sei sie wahr. Einen Anspruch darauf, dass die Beklagte seine wissenschaftliche Auffassung zur moralischen Legitimität eines Attentats auf Adolf Hitler darstelle, habe der Kläger nicht.
Mit der Berufung macht der Kläger geltend, das Landgericht habe das evidente Erfordernis an einer Klarstellung nicht berücksichtigt und nicht erkannt, dass die Äußerung eine unwahre Tatsachenbehauptung enthalte, durch die er in die rechte Ecke gerückt werde, zumal der Artikel zu Unrecht das Institut für Staatspolitik als "Denkfabrik der neuen Rechten" bezeichne und ihn in den Verdacht der Erschleichung einer Dienstreisekostenerstattung bringe. Es handele sich um eine bewusst unvollständige Tatsachenbehauptung, die beim Leser den Eindruck erwecke, der Kläger vertrete rechtsextremes Gedankengut und die den Sinn seiner Argumentation verschleiere.
Er beantragt,
die Verfügungsbeklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten, der Verfügungskläger spreche dem gescheiterten Hitler-Attentäter Georg Elser die moralische Legitimation für seinen Tötungsversuch im November 1939 ab.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der Beklagten die Äußerung untersagt werden soll, der Kläger habe "dem gescheiterten Hitler-Attentäter Georg Elser die moralische Legitimation für seinen Tötungsversuch im November 1939 abgesprochen", im Ergebnis zutreffend abgelehnt.
1. Allerdings ist hier der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund gegeben. Der Kläger hat gerechnet vom Zeitpunkt seiner Kenntnis von der streitgegenständlichen Veröffentlichung, die hier spätestens am 26.3.2018 vorlag, bis zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (Anhängigkeit am 18.5.2018) nicht zu lange gewartet. In Presse- und Äußerungssachen ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Verfügungsgrund für eine auf Unterlassung gerichtet einstweilige Verfügung regelmäßig zu bejahen, wenn keine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, insbesondere durch Zuwarten, gegeben ist (zuletzt Senat, Beschluss vom 25. Januar 2018 - 4 U 1675/17 -, juris). Dies ist eine Frage des Einzelfalles, für die sich gleichwohl in der Rechtsprechung Regelfristen herausgebildet haben, bei deren Überschreitung von einer Selbstwiderlegung auszugehen ist. Diese reichen von vier Wochen bzw. einem Monat (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.1.2015 - 6 U 156/14 - juris; vgl. im Übrigen die Verweise auf nicht veröffentlichte Rechtsprechung der OLGe Koblenz und Köln sowie des KG bei Wenzel-Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. Kap. 12 Rn. 145) über fünf Wochen (OLG Hamburg, Beschluss vom 15.12.2014 - 7 W 141/14 - juris) bis zu 8 Wochen bzw. zwei Monaten ab Kenntniserlangung von der Rechtsverletzung (OLG Stuttgart, Urteil vom 08. Februar 2017 - 4 U 166/16 -, Rn. 35 - 36, juris). Lediglich der zuletzt genannte Zeitraum wäre vorliegend nicht überschritten. Auch wenn der Senat mit Blick auf seine Rechtsprechung, wonach bereits die einmalige Verlänger...