Leitsatz (amtlich)
Die AVB einer Kaskoversicherung, wonach die Versicherung im Falle des Verlusts des Fahrzeugs den Kaufpreis für Gebrauchtfahrzeuge zahlt, der durch Rechnung über den Fahrzeugkauf nachzuweisen und auf den von einem Kfz-Sachverständigen anhand der Schwacke-Liste rechnerisch zu ermittelnden Wiederbeschaffungswert begrenzt ist, sind hinreichend transparent im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 1879/16) |
Gründe
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO)
I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere entspricht sie §§ 517, 519 und 520 ZPO. Sie hat auch Erfolg. Anders als das Landgericht angenommen hat, ist die streitgegenständliche Klausel in C 3.3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (im folgenden AVB) der Beklagten nicht wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) unwirksam (1.). Ob der Kläger wegen der von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen einen Anspruch auf eine weitergehende Leistung aus der streitgegenständlichen Kaskoversicherung hat, bedarf mangels Durchführung des Sachverständigenverfahrens (C.14 AVB) keiner Entscheidung. Die Klage war vielmehr als derzeit unbegründet abzuweisen (2).
1. Grundlage für die vom Kläger begehrte weitergehende Leistung aus der streitgegenständlichen Versicherung ist die Regelung unter C.3.3. AVB mit der Überschrift "Kaufpreisentschädigung für Gebrauchtfahrzeuge". Danach zahlt die Versicherung "in der Vollkaskoproduktlinie Klassik" im Fall des Verlust des Fahrzeugs "den Kaufpreis für Gebrauchtfahrzeuge nach C.1.4.". Dieser ist durch die Rechnung über den Fahrzeugkauf nachzuweisen und auf den von einem KfZ-Sachverständigen nach Schwacke.net ermittelten rechnerischen Wiederbeschaffungswert im Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung auf den Versicherungsnehmer begrenzt, wobei der Zustand unmittelbar vor Schadenseintritt zugrunde gelegt wird. Die vom Landgericht geäußerten Bedenken an der Verständlichkeit dieser Vorschrift sind nach Auffassung des Senats nicht gerechtfertigt. Die Klausel entspricht insbesondere den Erfordernissen des Transparenzgebots gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 BGB. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Die unangemessene Benachteiligung kann sich nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Nach dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (zuletzt BGH, Urteil vom 15.2.2017 - IV ZR 91/16, juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 13.1.2016 - IV ZR 38/14, VersR 2016, 312, juris Rn. 24; BGH, Urteil vom 4.3.2015 - IV ZR 128/14, VersR 2015, 571 juris Rn. 14; BGH, Beschluss vom 11.2.2009 - IV ZR 28/08, VersR 2009, 533, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 9.12.2015 - VIII ZR 349/14, NJW 2016, 2101, juris Rn. 29). Allgemeine Versicherungsbedingungen sind hierbei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 15.2.2017 - IV ZR 91/16 -, a.a.O., juris Rn. 17).
Der verständige Versicherungsnehmer entnimmt der Regelung unter C.3.3., dass u.a. bei einem Verlust seines Fahrzeugs je nach gewähltem Tarif eine "Kaufpreisentschädigung für Gebrauchtfahrzeuge" erstattet wird, deren Höhe sich nach der Versicherungsbedingung unter C.1.4. richtet. Anders als das Landgericht angenommen hat, handelt es sich bei der Regelung unter C.3.3. dabei nicht um eine Sonderbedingung, die den Begriff des "Kaufpreises" definiert und damit anderen Bestimmungen vorgeht. Durch den Verweis auf die Bedingungen unter C.1.4. wird vielmehr klargestellt, dass sich dieser unter Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen in der Tarifvorschrift "unsere Leistungen" definiert. Geht der Versicherungsnehmer diesem Verweis nach, wird er daher erkennen, dass Ausgangspunkt für die Berechnung der Versicherungsentschädigung zwar der durch die Rechnung über den Fahrzeugkauf nachzuweisende Kaufpreis ist, dass dieser aber nach oben durch den von einem Sachverständigen auf der Grundlage der Schwacke-Liste zu ermittelnden Wiederbeschaffungswert zum Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung begrenz...