Leitsatz (amtlich)
1. Verspricht ein Versicherer eine Entschädigung, wenn "die zuständige Behörde aufgrund einer Erkrankung nach dem Infektionsschutzgesetz den Betrieb schließt", ist der Deckungsumfang nicht auf sog. intrinsische Gefahren beschränkt.
2. Eine Klausel in den Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung, die meldepflichtige Erkrankungen als "die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger" definiert und diese sodann im Einzelnen auflistet, ist nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers als abschließend zu verstehen; eine Erstreckung auf Betriebsschließungen aufgrund von SARS-COV 2/Covid-19 scheidet aus. Eine unangemessene Benachteiligung wegen einer Entkernung des Schutzgedankens der Betriebsschließungsversicherung liegt hierin nicht.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 1224/20) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 14.01.2021, Az 3 O 1224/20, wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
II. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
III. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 180.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Versicherungsleistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung, die sie im Wege der Teilklage geltend macht.
Die Klägerin hat bei der Beklagten für das von ihr betriebene Restaurant "W..." in L... eine Betriebsversicherung "... All Inclusive Police" mit Versicherungsbeginn zum 01.01.2019 abgeschlossen (Versicherungsschein Nr. 000.000.0000000.0, Anlage K1). Der Versicherungsschutz umfasst eine Reihe von Risiken, darunter auch "die Betriebsschließung infolge einer Seuchengefahr für Schließungsschäden bzw. für Warenschäden". Zum Leistungsumfang dieses Risikos gehört als Höchstersatzleistung je Versicherungsfall eine Haftzeit von 60 Tagen, eine Entschädigung für den Warenschaden i.H.v. 30.000,- EUR mit einem Selbstbehalt von 500,- EUR und eine Tagesentschädigung für Betriebsschließungsschäden i.H.v. 6.000,- EUR mit einem Selbstbehalt von 2 Arbeitstagen. Zusätzlich sind weitere Kosten auf Erstes Risiko mitversichert. Wegen der Einzelheiten wird auf S. 19 des Versicherungsscheines verwiesen (Anlage K1, S. 19).
Der Versicherung liegen die "... All Inclusive Allgemeinen Versicherungsbedingungen" (im folgenden AVB) mit Stand vom 01.07.2016 zugrunde (vgl. Anlage K2, S. 1). Diese enthalten in Abschnitt C (Anlage K3, S. 70) u. a. folgende Regelungen:
"1. Betriebsschließung
1.1 Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt.
...
1.2 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten
...
(Anmerk.: es folgt eine Aufzählung von 18 Krankheiten)
b) Krankheitserreger
...
(Anmerk.: es folgt eine Aufzählung von 49 Krankheitserregern) ..."
Zu 1.3 heißt es unter der Überschrift "Nicht versicherte Schäden":
"Nicht versichert sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden
...
e) von Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf; ..."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die AVB ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin hat der Beklagten den Versicherungsfall am 23.03.2020 (Anlage K5) angezeigt. Mit Schreiben vom 24.03.2020 (Anlage K6) hat die Beklagte eine Einstandspflicht abgelehnt. Mit der vorliegenden Teilklage macht die Klägerin die Tagesentschädigung i.H.v. 6.000,- EUR für den Zeitraum vom 21.03. bis 20.04.2020 (= 30 Hafttage) geltend, wobei sie den Selbstbehalt von zwei Hafttagen auf den 13. und 14.05.2020 bestimmt. Hilfsweise stützt die Klägerin ihr Begehren auf 32 Hafttage im Zeitraum vom 21.03. bis 22.04.2020 unter Einschluss von zwei Arbeitstagen, für die der vereinbarte Selbstbehalt Anwendung findet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf das angefochtene Urteil ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, aufgrund der weit gefassten Versicherung "All Inclusive" und der Versicherungsbedingungen, die im Zweifel zugunsten des Versicherungsnehmers so auszulegen seien, dass umfassender Versicherungsschutz bei behördlich angeordneten Betriebsschließungen aufgrund des Auftretens von Krankheiten nach dem Infektionsschut...