Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzrecht: Schadensersatz für einen Skiunfall. Bemessung des Schmerzensgeldes bei einer Schlüsselbeinfraktur
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Skiunfall im Ausland richtet sich auch bei Anwendung deutschen Rechts die Verantwortlichkeit des Schädigers und die Beurteilung eines möglichen Mitverschuldens des Geschädigten nach den am Unfallort geltenden Verhaltensregeln (hier: Regeln für das Verhalten der Skifahrer auf Abfahrtsstrecken - FIS-Regeln).(Rz. 5)
2. Für die bei einem Unfall erlittene Schlüsselbeinfraktur, die ambulant behandelt werden konnte und folgenlos verheilte, ist, bei einem Mitverschuldensanteil des Geschädigten von 25 Prozent, ein Schmerzensgeld i.H.v. 1275 EUR angemessen.(Rz. 13)
3. Einzelfall zum Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch sowie zum Mitverschuldensanteil bei einem Skiunfall.(Rz. 7)
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1-2, §§ 249, 254
Verfahrensgang
LG Zwickau (Urteil vom 09.05.2012; Aktenzeichen 7 O 716/11) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Zwickau vom 9.5.2012 - Az. 7 O 716/11 - im Kostenpunkt aufgehoben, im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.418,25 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 14.9.2011 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 80 % und der Beklagte zu 20 %, diejenigen des Berufungsverfahrens die Klägerin zu 74 % und der Beklagte zu 26 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.465,20 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die zulässige Berufung des Beklagten ist teilweise begründet, weil die Klage zu einem größeren Teil, als vom LG angenommen, abzuweisen ist.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten aus dem am 23.1.2010 in Südtirol erlittenen Skiunfall ein Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. (nur) 1.418,25 EUR zu. Er setzt sich aus einem Anspruch auf immateriellen Schadensersatz i.H.v. 1.275 EUR sowie einem Anspruch auf materiellen Schadensersatz i.H.v. 143,25 EUR zusammen.
1. Als Grundlage für die Haftung des Beklagten hat das LG zutreffend § 823 Abs. 1 BGB herangezogen.
a) Allerdings findet deutsches Recht hier nicht über Art. 40 EGBGB, sondern über Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 der vorrangigen, seit 2009 geltenden Rom II-Verordnung Anwendung.
Ebenfalls richtig hat das LG angenommen, dass sich die Verantwortlichkeit des Schädigers - ebenso wie ein Mitverschulden des Geschädigten - trotz Anwendbarkeit deutschen Rechts nach den Verhaltensregeln am Unfallort beurteilt (vgl. nur OLG München, NJW 77, 502; OLG Düsseldorf VersR 1990, 111). Die vom Internationalen Skiverband aufgestellten Regeln für das Verhalten der Skifahrer auf Abfahrtsstrecken (FIS-Regeln) konkretisieren diese Verhaltenspflichten der Skifahrer (BGHZ 58, 40) - auch in Italien (vgl. OLG Brandenburg NJW-RR 2006, 1458, Rz. 23). Für den Streitfall sind die FIS-Regeln in der Fassung von 2002 maßgeblich.
b) Der Senat folgt dem LG weiter darin, dass im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme die Haftung des Beklagten dem Grunde nach feststeht. Allerdings ist auch der Klägerin selbst ein Mitverschulden anzulasten. Weitere Feststellungen durch Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens waren dazu nicht zu treffen.
aa) Das LG hat auf Grundlage der Zeugenaussagen und der eigenen Angaben der Parteien den Unfallhergang in nicht zu beanstandender Weise festgestellt. Fehler in der Würdigung der Aussagen sind nicht ersichtlich und werden auch vom Beklagten nicht geltend gemacht. Er wendet sich insbesondere nicht gegen die Feststellung, dass die Klägerin vor dem Unfall sehr langsam - mit Schrittgeschwindigkeit - quer zu seiner Fahrtrichtung geglitten ist. Bei einem langsamen Abrutschen der Klägerin in nahezu rechtem Winkel zu seinem Fahrtweg hätte der Beklagte sie indessen rechtzeitig bemerken müssen, wenn er der FIS-Regel Nr. 2 entsprechend auf Sicht gefahren wäre. Stattdessen gab er im Termin zur mündlichen Verhandlung selbst an, die Klägerin erstmalig wahrgenommen zu haben, als sie vor ihm auf dem Boden gelegen habe. Er könne nicht sagen, von wo auf der linken Seite sie hergekommen sei. Er habe sich darauf konzentriert, nach rechts in die Piste einzubiegen.
Zusätzlich ist dem Beklagten ein Verstoß gegen die FIS-Regel Nr. 3 vorzuwerfen. Zwar ergibt sich aus den vom LG getroffenen Feststellungen nicht eindeutig, dass die Parteien vor dem Unfall noch "hintereinander" auf der Schattenbergpiste fuhren, so dass die Klägerin als die dem Beklagten auf dieser Piste vorausfahrende Fahrerin weiterhin Vorfahrt gehabt hätte. Die Unfallschilderungen und Unfallskizzen der Zeugen M. und S. sprechen eher dafür, dass die Klägerin im Zusammenhang mit dem dem Unfall vorausgegangenen Umfahren der Zeugen bereits in den Kreuzungsbereich mit der von links kommenden Skipiste "gewechselt" war. Bei zusammenführenden Pisten findet die FIS-Regel jedoch ebenfalls Anwendung, wenn einer der beid...