Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts durch den in Deutschland verbleibenden Umgangselternteil bei Umzug des betreuenden Elternteils mit Kind ins Ausland; keine generelle Kindeswohlschädlichkeit aufgrund der durch die Auswanderung erschwerten Durchführung des Umgangs zwischen Kind und Umgangselternteil

 

Leitsatz (amtlich)

Der Aufrechterhaltung der Beziehungen zum in Deutschland verbleibenden Umgangselternteil bei Auswanderung des betreuenden Elternteils mit dem Kind kommt keine Sperrwirkung für Ortsveränderungen des Obhutselternteils zu. Einer Entfremdung des Kindes vom Umgangselternteil ist durch die Ausgestaltung der Umgangskontakte vorzubeugen, wobei hinzunehmen ist, dass die Kontakte ggfls weniger häufig stattfinden.

 

Normenkette

BGB § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Kleve (Aktenzeichen 19 F 73/20)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kleve vom 04.11.2020 wird auf seine, des Kindesvaters, Kosten zurückgewiesen.

II. Beschwerdewert: 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Die aus Armenien stammenden Kindeseltern sind miteinander verheiratet. Der Kindesvater ist niederländischer Staatsbürger. Die Kindesmutter, die bis zur Eheschließung in Armenien lebte, besitzt die armenische und die niederländische Staatsbürgerschaft. Die Familie lebte in Kranenburg. Am 15.10.2019 reiste die Kindesmutter mit der Tochter nach Armenien aus. Die Kindeseltern hatten die Absprache getroffen, dass die Kindesmutter am 10.11.2019 mit dem Kind nach Kranenburg zurückkehrt. Am 07.11.2019 teilte die Kindesmutter dem Kindesvater telefonisch mit, dass sie mit dem Kind in Armenien bleiben werde. Dort halten sich Kindesmutter und L... seither auf. Der auf das Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKÜ) gestützte Antrag des Kindesvaters auf Rückführung des Kindes nach Deutschland wurde in Armenien abgelehnt. Die diesbezügliche Kassationsbeschwerde des Kindesvater zum Kassationsgericht der Republik Armenien blieb erfolglos.

Den allein verfahrensgegenständlichen Antrag des Kindesvaters, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für L... zu übertragen, hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass die begehrte Teilsorgerechtsübertragung dem Kindeswohl am besten entspreche. Auf der Grundlage der Feststellungen des Gerichts der Stadt Jerewan in der den Rückführungsantrag nach dem HKÜ zurückweisenden Entscheidung vom 02.04.2020 ergäben sich - abgesehen von dem Umstand, dass die Kindesmutter L... widerrechtlich dem Kindesvater entzogen habe - keine Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter. Die Lebensverhältnisse des Mädchens seien schon altersbedingt entscheidend durch die Beziehung zu ihrer Hauptbezugsperson, der Kindesmutter, geprägt, nicht durch die Umgebung und die äußeren Umstände. So habe sich L... weder an den deutschen Kindergarten gewöhnt noch habe sie die deutsche Sprache erworben. Die aus der Entfernung der Elternwohnsitze folgenden Nachteile für die Vater-Tochter-Beziehung seien der Kindesmutter nicht vorwerfbar, weil diese auch bei einem ordnungsgemäßen Vorgehen der Kindesmutter nicht zu vermeiden gewesen wären. Die allgemeine Handlungsfreiheit der Kindesmutter schließe ihre Verpflichtung zum Verbleib in Deutschland aus. Für eine Kindeswohlgefährdung durch die Ausreise bestünden keine Anhaltspunkte. Ein Wechsel zum Kindesvater würde für das Mädchen einen Beziehungsabbruch zur Hauptbezugsperson und einen erneuten Wechsel des Lebensumfeldes bedeuten. Eine Traumatisierung sei absehbar.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kindesvater seinen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts weiter. Er rügt, die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass ein Verbleib des Kindes bei der Kindesmutter dem Kindeswohl am ehesten entspreche. Besonders zu berücksichtigen sei, dass die Kindesmutter das Kind widerrechtlich nach Armenien verbracht habe. Das Amtsgericht habe die Stellungnahme des Verfahrensbeistands nicht ausreichend gewürdigt und sich fehlerhaft auf angebliche psychologische Beurteilungen aus dem in Armenien geführten Verfahren gestützt. Ein Wechsel zu ihm, dem Kindesvater, würde nicht zu einer Traumatisierung des Kindes führen. Im Interesse des Kindes liege es, die Bindung zu ihm, dem Kindesvater, nicht abreißen und es zu keiner Entfremdung kommen zu lassen. Rechtlich sei entscheidend, dass das Verhalten der Kindesmutter nicht mit dem Kindeswohl vereinbar sei.

Der Kindesvater beantragt,

ihm unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Kleve vom 04.11.2020 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für L... zu übertragen.

Die Kindesmutter beantragt,

die Beschwerde des Kindesvaters zurückzuweisen.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat den Antrag des Kindesvaters auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für L... völlig zu Recht zurückgewi...

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