Leitsatz (amtlich)
1. Die Überzeugungskraft eines Sachverständigengutachtens ist kein Maßstab für die Vergütung der Tätigkeit des Sachverständigen. Der Honoraranspruch steht dem Sachverständigen selbst dann zu, wenn das Gericht das Gutachten nicht für überzeugend erachtet und deshalb nicht zur Grundlage seiner Entscheidung macht. Der Vergütungsanspruch ist ausnahmsweise nur zu versagen, soweit das Gutachten wegen objektiv feststellbarer Mängel unverwertbar ist und deshalb auch tatsächlich unberücksichtigt bleibt.
2. Bei objektiv feststellbaren Mängeln seines Gutachtens erhält der Sachverständige für solchen Zeitaufwand und bare Aufwendungen eine Vergütung, die auf den verwerteten bzw. verwertbaren Teil seiner Leistung entfallen.
3. Ein Vergütungsanspruch eines Sachverständigen kann auch dann bestehen, wenn und soweit die Leistungen des Sachverständigen im Rahmen einer unstreitigen Verfahrenserledigung Berücksichtigung finden oder soweit ein neu bestellter Sachverständiger seine Begutachtung auf der Leistung des zuvor tätigen Sachverständigen aufbaut.
Normenkette
JVEG §§ 4, 8a
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Beschluss vom 16.02.2017; Aktenzeichen 11 O 295/12) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Sachverständigen wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 16. Februar 2017 (Bl. 423 ff GA) aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Landgericht Mönchengladbach zurückverwiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beschwerde des Sachverständigen ist gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässig und führt in der Sache zu einem vorläufigen Erfolg.
Der angefochtene Beschluss kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil die pauschale Kürzung der Vergütung auf 1/4 des abgerechneten Betrages nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Die Begründung der Kammer, die Kürzung sei angemessen bzw. entspreche dem unbrauchbaren Leistungsteil, ist nicht tragfähig. In dem von der Kammer angenommenen Fall des § 8a Abs. 2 S. 1 Ziff. 2 JVEG entfällt die Vergütung weder vollständig noch ist diese nach einem prozentualen Anteil zu bemessen. Der Sachverständige erhält vielmehr bei objektiv feststellbaren Mängeln seines Gutachtens für solchen Zeitaufwand und bare Aufwendungen eine Vergütung, die auf den verwerteten bzw. verwertbaren Teil seiner Leistung entfallen (vgl. Schneider, JVEG, 2. Aufl. 2014, § 8a Rn. 28). Der Kammer hätte es insoweit oblegen, den Sachverständigen zu einer Aufschlüsselung seiner Rechnung aufzufordern und sodann die Vergütung konkret unter Benennung der von ihr für bestimmungsgemäß verwertbar erachteten Leistungsteile zu errechnen.
Bei der erneuten Entscheidung über die Vergütung des Sachverständigen wird das Landgericht Folgendes zu berücksichtigen haben:
Der vom Gericht bestellte Sachverständige handelt nicht im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags. Seine Vergütung bezieht sich nicht auf das Werk des Sachverständigen, sondern auf seine Tätigkeit als Gehilfe des Gerichts, die er in Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht erbringt (BGH
NJW 1976, 1154 f.). Deshalb ist die Überzeugungskraft eines Sachverständigengutachtens kein Maßstab für die Vergütung der Tätigkeit des Sachverständigen; es kommt vielmehr darauf an, dass diese Leistung überhaupt erbracht wurde, nicht etwa auch darauf, wie das Gericht oder die Parteien das Gutachten inhaltlich beurteilen. Der Honoraranspruch steht dem Sachverständigen daher selbst dann zu, wenn das Gericht das Gutachten nicht für überzeugend erachtet und deshalb nicht zur Grundlage seiner Entscheidung macht (Senat, 10 WF 10/01, Beschluss vom 31. Mai 2001, juris Rn. 10 f). Der Vergütungsanspruch ist ausnahmsweise nur zu versagen, soweit das Gutachten wegen objektiv feststellbarer Mängel unverwertbar ist (§ 8a Abs. 2 S. 1 Ziff. 2 JVEG) und deshalb auch tatsächlich unberücksichtigt bleibt (§ 8a Abs. 2 S. 2 JVEG).
Gemessen an diesen Kriterien kann auch der Argumentation, auf die die Kammer die Kürzung der Vergütung des Sachverständigen dem Grunde nach stützt, jedenfalls nicht uneingeschränkt gefolgt werden.
Zutreffend führt die Kammer aus, dass die Aussage des Sachverständigen zu Beweisfrage 1a, er halte eine Vergelung "eigentlich nicht für ursächlich" für die festgestellte Schallbrücke, unverwertbar ist. Indes wird diese sachlich nicht untermauerte, spekulative Einschätzung des Sachverständigen, die nicht als Entscheidungsgrundlage dienen kann, von dem Sachverständigen auch nicht als Beweisergebnis dargestellt. Der Sachverständige hat in seiner Anhörung vom 23. September 2016 vielmehr wiederholt unmissverständlich ausgeführt, dass Beweisfrage 1a, ob die festgestellte Schallbrücke durch die Sanierungsmaßnahmen in Form des Einbringens von Dichtgel in die Trennfuge entstanden ist, ohne Bauteilöffnungen in Form von Stemm- oder Bohrarbeiten nicht zu beantworten ist. Eine Bauteilöffnung ist indes an der fehlenden Zustimmung der Parteien gescheitert. Daraus darf...