Leitsatz (amtlich)

Begründet der Betroffene seinen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs, die darauf gestützt wird, dass das Amtsgericht den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ohne Verhandlung zur Sache nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen hat, obwohl die Hauptverhandlung nach Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 OWiG in Abwesenheit des Betroffenen hätte durchgeführt werden müssen, ist darzulegen, welcher Sachvortrag, der nach § 74 Abs. 1 Satz 2 OWiG in die Hauptverhandlung einzuführen gewesen wäre, infolge der Einspruchsverwerfung unberücksichtigt geblieben sind.

 

Normenkette

OWiG § 74 Abs. 1-2, § 80 Abs. 3 S. 3; StPO § 344 Abs. 2 S. 2

 

Tenor

Der Antrag wird auf Kosten des Betroffenen als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Die Stadt W. hat gegen den Betroffenen mit Bescheid vom 26. Oktober 2010 wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h eine Geldbuße in Höhe von 120 Euro festgesetzt.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen auf dessen Antrag von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden. Im Hauptverhandlungstermin ist weder der Betroffene noch der Verteidiger erschienen. Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Einspruch gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen und zur Begründung ausgeführt, dass der Verteidiger ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei. Hiergegen richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit dem er die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

1.

Hat das Amtsgericht - wie hier - den Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, kann im Zulassungsverfahren eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nur aufgrund einer in zulässiger Weise erhobenen Verfahrensrüge geprüft werden (vgl. Göhler-Seitz, OWiG, 15. Aufl., § 80 Rdn. 16i).

Daran fehlt es hier. Die Verfahrensrüge des Betroffenen, mit der er die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, entspricht nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Nach diesen Vorschriften muss bei einer Verfahrensrüge der Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft.

a) Vorliegend wird in der Antragsbegründung der zu I. beschriebene Verfahrensgang geschildert. Ferner macht der Betroffene zutreffende Rechtsausführungen unter Hinweis auf die einhellige Rechtsprechung, wonach § 74 Abs. 2 OWiG nur das Ausbleiben des Betroffenen ohne genügende Entschuldigung betrifft und es für die Verwerfung des Einspruchs wegen Ausbleibens des Verteidigers keine Rechtsgrundlage gibt. Vielmehr ist die Hauptverhandlung, wenn der Betroffene von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden worden ist, gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 OWiG in dessen Abwesenheit durchzuführen. Dass auch der Verteidiger des Betroffenen nicht zur Hauptverhandlung erschienen ist, ist unerheblich, da § 73 Abs. 3 OWiG den Betroffenen nicht verpflichtet, sich durch einen bevollmächtigten Verteidiger vertreten zu lassen (vgl. OLG Hamm NZV 2001, 491; OLG Köln NZV 2004, 655; OLG Jena VRS 106, 301).

Zur Beruhensfrage enthält die Antragsbegründung ohne Schilderung der konkreten Beweislage lediglich die allgemein gehaltene Aussage, dass der Betroffene bei einer Sachentscheidung nach Durchführung des Hauptverhandlungstermins und der Beweisaufnahme freigesprochen worden wäre. Insbesondere fehlt jegliche Darlegung, ob und ggf. mit welchem Inhalt der Betroffene vor der Hauptverhandlung Erklärungen zur Sache abgegeben oder Einwendungen erhoben hat.

b) Begründet der Betroffene seinen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs, die darauf gestützt wird, dass das Amtsgericht den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ohne Verhandlung zur Sache nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen hat, obwohl die Hauptverhandlung nach Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 OWiG in Abwesenheit des Betroffenen hätte durchgeführt werden müssen, ist darzulegen, welcher Sachvortrag, der nach § 74 Abs. 1 Satz 2 OWiG in die Hauptverhandlung einzuführen gewesen wäre, infolge der Einspruchsverwerfung unberücksichtigt geblieben sind. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör ist dann verletzt, wenn die Einspruchsverwerfung dazu geführt hat, dass eine sachliche Einlassung des Betroffenen nicht berücksichtigt worden ist (vgl. OLG Köln StV 1987, 525; VRS 94, 123, 125; OLG Hamm VRS 107, 124, 125; BayObLG ZfSch 2001, 185, 186; KG NZV 2003, 586). Hat der Betroffene vor der Hauptverhandlung keine Erklärungen zur Sache abgegeben oder Einwendungen erhoben, kann in dem verfahrensfehlerhaften Unterlassen der nach § 74 Abs. 1 Satz 1 OWiG gebotenen Verhandlung zur Sache keine Verletzung des recht...

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