Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit des einem Zeugen nach § 68b StPO beigeordneten Vernehmungsbeistands ist entsprechend Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG zu vergüten.
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Aktenzeichen 31 Ns 89/07) |
Tenor
1.
Der mitunterzeichnende Einzelrichter überträgt die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern.
2.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
3.
Die Vergütung des anwaltlichen Zeugenbeistands wird auf 223,72 EUR festgesetzt.
4.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Vorsitzende der 11. kleinen Strafkammer des Landgerichts Wuppertal hatte die 16jährige türkische Schülerin X. zur Berufungshauptverhandlung vom 24. August 2007 geladen, da sie von der Staatsanwaltschaft als Augenzeugin der dem Angeklagten zur Last gelegten Trunkenheitsfahrt benannt war. Nachdem die Zeugin mit ihrer Aussage begonnen hatte, unterbrach er die Vernehmung, um ihr einen Zeugenbeistand zu bestellen. Zu diesem Zweck rief er Rechtsanwalt Y. in Wuppertal an, der sich zur sofortigen Übernahme der Beistandsleistung bereit erklärte und etwa eine halbe Stunde später bei Gericht erschien. Der Vorsitzende bestellte ihn gemäß § 68b StPO zum Zeugenbeistand und händigte ihm die Verfahrensakte zur Einsicht aus. Während er die Hauptverhandlung mit der Vernehmung zweier weiterer Zeugen fortsetzte, hatte Rechtsanwalt Y. Gelegenheit, mit der Zeugin zu sprechen. Sodann wurde die Zeugin in seinem Beistand zu Ende vernommen und entlassen.
Rechtsanwalt Y. hat folgende Gebühren zur Festsetzung angemeldet:
Gegen die antragsgemäße Festsetzung der Rechtspflegerin hat der Vertreter der Staatskasse mit der Begründung Erinnerung eingelegt, dem nach § 68b StPO beigeordneten Rechtsanwalt stehe nur die Vergütung einer Einzeltätigkeit entsprechend Nr. 4301 VV RVG in Höhe von 168,00 EUR zu. Das Landgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 4. August 2008 als unbegründet verworfen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Vertreters der Staatskasse vom 11. August 2008, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Sätze 1 und 3 RVG zulässige Beschwerde ist begründet. Dem nach § 68b StPO beigeordneten Vernehmungsbeistand der Zeugin steht nur die Gebühr aus Nr. 4301 Ziff. 4 V RVG nebst Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer zu.
1.
Die Zuständigkeit des Senats beruht auf der Übertragung durch den Einzelrichter wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG.
Die Beschwerde ist dem Senat nicht originär in der Besetzung mit drei Richtern angefallen. Die vom Strafkammervorsitzenden gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 GVG ohne Mitwirkung der Schöffen getroffene Entscheidung ist eine Einzelrichterentscheidung im Sinne des § 33 Abs. 8 Satz 1, 2. Halbsatz RVG. An der gegenteiligen Auffassung (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Januar 2007 = JMBl. NW 2007, 139 zu § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG) halt der Senat nicht fest.
Der außerhalb der Hauptverhandlung entscheidende Vorsitzende der kleinen Strafkammer wird zwar weder im GVG noch in der StPO als "Einzeirichter" bezeichnet. Dies steht aber, da er tatsächlich als einzelner Richter entscheidet, der Annahme einer Einzelrichterentscheidung im Sinne des § 33 Abs. 8 Satz 1, 2. Halbsatz RVG nicht entgegen. Der Umstand, dass er mit der Entscheidung die kleine Strafkammer repräsentiert, begründet systematisch keinen Unterschied zu dem Richter am Amtsgericht, der nach § 30 Abs. 2 GVG außerhalb der Hauptverhandlung das Schöffengericht repräsentiert. Der Sinn und Zweck des § 33 Abs. 8 RVG spricht ebenfalls für dieses Verständnis. Nach dem Willen des Gesetzgebers dient die Zuständigkeit des Einzelrichters in der Beschwerdeinstanz der Vereinfachung und Straffung des kostenrechtlichen Verfahrens und damit der Entlastung der Rechtspflege. Die Begrenzung der Einzelrichterzuständigkeit auf Beschwerden gegen Entscheidungen, die in erster Instanz von einem Einzelrichter getroffen wurden, soll die Akzeptanz der Beschwerdeentscheidungen durch die Betroffenen sicherstellen, indem Entscheidungen eines Kollegialgerichts auch nur durch ein Kollegialgericht korrigiert werden können (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 157 f. zu § 66 Abs. 6 GKG).
2.
Die Tätigkeit des einem Zeugen nach § 68b StPO beigeordneten Vernehmungsbeistands ist entsprechend Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG zu vergüten.
a.
Die Vergütung des beigeordneten Anwalts bestimmt sich gemäß § 48 Abs. 1 RVG nach dem der Beiordnung zu Grunde liegenden Beschluss. Auf den Beistand eines Zeugen sind nach der Vorbemerkung 4 Abs. 1 zu Teil 4 VV RVG die Vorschriften dieses Teils entsprechend anzuwenden. Umstritten ist, ob diese Verweisung im Fall der Beiordnung nach § 68b StPO zur entsprechenden Anwendung von Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG führt - Gebühren des Verteidigers, Nr. 4100 ff. VV RVG - oder zur Anwendung von Teil 4 Abschnitt 3 - Einzeltätigkeiten, hier Nr. 4301 Ziff. 4: "Beistandsleistung für den Beschuldigten bei einer richterlichen Vernehmung ...".
aa.
Nach verbreiteter Ansicht begründet die B...