Leitsatz (amtlich)

1. Ob ein wichtiger Grund in Sinne von § 2227 BGB vorliegt, beurteilt sich nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalles. Dabei ist bereits bei der Prüfung eines wichtigen Grundes zwischen dem Interesse an der Beibehaltung im Amt und dem entgegengesetzten Interesse an der Entlassung des Testamentsvollstreckers abzuwägen mit der Folge, dass im Ergebnis nur Gründe eine Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers rechtfertigen, die ein solches Gewicht besitzen, dass sie sich gegenüber den für eine Fortführung des Amtes sprechenden Gründen durchsetzen.

2. Wird das Entlassungsgesuch mit dem Vorwurf begründet, der Testamentsvollstrecker habe bei der Verwaltung oder Auseinandersetzung des Nachlasses seine Pflichten verletzt, muss die zur Last gelegte Pflichtverletzung schuldhaft begangen worden und geeignet sein, die berechtigten Belange des antragstellenden Miterben zu beeinträchtigen sowie nach den konkreten Umständen des Falles als eine grobe Verfehlung betrachtet und wertungsmäßig mit der Unfähigkeit des Testamentsvollstreckers zu einer ordnungsgemäßen Ausübung seines Amtes auf eine Stufe gestellt werden können.

3. Geht es um die Unfähigkeit zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung, spielt das Verschulden des Testamentsvollstreckers keine Rolle. Maßgeblich ist vielmehr die Frage, ob der Testamentsvollstrecker nach seinen persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten in der Lage ist, das Amt einwandfrei und vollumfänglich auszuüben. Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung ist dabei in einem weiten Sinne zu verstehen.

a) Sie ist gegeben, wenn der Testamentsvollstrecker aufgrund von Krankheit, Abwesenheit oder Haft für längere Zeit an der Ausübung seines Amtes gehindert ist.

b) Die Unfähigkeit zur Ausübung des Amtes kann sich zudem aus Umständen ergeben, die die fachliche Eignung oder den Willen des Testamentsvollstreckers zu einer pflichtgemäßen Amtsausübung nachhaltig in Zweifel ziehen.

c) Ebenso kann ein objektiv begründetes - also nicht nur auf subjektiven Gefühlsmomenten, sondern auf Tatsachen beruhendes - Misstrauen gegen die Amtsführung einen wichtigen Grund für die Entlassung darstellen.

d) Schließlich können auch gewichtige Bedenken an der Redlichkeit und Zuverlässigkeit des Testamentsvollstreckers zu seiner Entlassung führen. Solche Bedenken können sich auch daraus ergeben, dass derjenige, der als Ersatz-Testamentsvollstrecker in Betracht kommt, an Vermögensverschiebungen mitgewirkt hat, die zur Entlassung des Testamentsvollstreckers geführt haben.

 

Normenkette

BGB § 2197 Abs. 2, § 2227

 

Verfahrensgang

AG Düsseldorf (Aktenzeichen 90 VI 701/09)

 

Tenor

I. Die Beschwerden der Beteiligten zu 3. und 4. gegen den Beschluss des Amtsgerichts (Nachlassgericht) Düsseldorf vom 17. Mai 2022 werden zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 3. und zu 4. haben die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen sowie dem Beteiligten zu 1. jeweils hälftig die ihm in der Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten. Im Übrigen findet eine Auslagenerstattung nicht statt.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

IV. Der Beschwerdewert wird auf 300.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Erblasser, deutscher Staatsangehörigkeit, lebte in Guatemala. Dort heiratete er am 20. September 1987 in dritter Ehe die Beteiligte zu 2., mit der er gemeinsam die Fa. P... führte.

Der Beteiligte zu 1. ist der Sohn des Erblassers.

Mit notariellem Testament vom 26. Oktober 1990 wies der Erblasser den Beteiligten zu 1. und zu 2. jeweils bestimmte, näher bezeichnete Teile seines Vermögens zu und ordnete an, dass er in der Urkunde nicht genanntes Vermögen den beiden Beteiligten zu gleichen Teilen hinterlasse.

Ein weiteres notarielles Testament vom 13. Juni 2006, das mit der Unterschrift des Erblassers versehen ist, bestimmt die Beteiligte zu 2. zur Alleinerbin und Testamentsvollstreckerin des Erblassers. Zugunsten des - zugleich mit Auflagen beschwerten - Beteiligten zu 1. ist ein Vermächtnis in Höhe von 200.000,00 EUR ausgesetzt. Weiter heißt es in dem Testament:

"Sollte seine Ehefrau ... (lies: die Beteiligte zu 2.) zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits verstorben sein oder gleichzeitig mit ihm versterben, ernennt er als Ersatzuniversalerben zu gleichen Teilen und stammweise die bereits bestehende oder noch zu gründende Stiftung ..."

Auf Antrag des Beteiligten zu 1. hat das Amtsgericht die Beteiligte zu 2. mit Beschluss vom 3. Juli 2019 aus ihrem Amt als Testamentsvollstreckerin entlassen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2. hat der Senat mit Beschluss vom 2. Juni 2020 (I-3 Wx 257/19; Bd. XVIIb, Bl. 3415a ff. d. A.) zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beteiligte zu 2. ihre Pflichten als Testamentsvollstreckerin dadurch in schwerwiegender Weise verletzt habe, dass sie ohne Absprache mit dem zwischenzeitlich bestellten Nachlasspfleger mehrere sechsstellige Beträge aus dem Ausland nach Guatemala überwiesen hab...

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