Leitsatz (amtlich)

1. Ob ein wichtiger Grund im Sinne von § 2227 BGB 1. vorliegt, beurteilt sich nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalles. Dabei ist bereits bei der Prüfung eines wichtigen Grundes zwischen dem Interesse an der Beibehaltung im Amt und dem entgegengesetzten Interesse an der Entlassung des Testamentsvollstreckers abzuwägen mit der Folge, dass im Ergebnis nur Gründe eine Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers rechtfertigen, die ein solches Gewicht besitzen, dass sie sich gegenüber den für eine Fortführung des Amtes sprechenden Gründen durchsetzen.

2. Steht die fachliche Eignung des Testamentsvollstreckers außer Frage und wird das Entlassungsgesuch vom Miterben alleine mit dem Vorwurf begründet, der Testamentsvollstrecker habe bei der Verwaltung oder Auseinandersetzung des Nachlasses seine Pflichten verletzt, setzt ein wichtiger Grund im Sinne von § 2227 BGB dreierlei voraus:

a) Die zur Last gelegte Pflichtverletzung muss geeignet sein, die berechtigten Belange des antragstellenden Miterben, namentlich die mit seiner Miterbenstellung verbundenen Vermögensinteressen, zu beeinträchtigen.

b) Die Pflichtverletzung muss zudem schuldhaft begangen worden sein (BGH, NJW 2017, 2112) und überdies ein solches Gewicht besitzen, dass sie nach den konkreten Umständen des Falles als eine grobe Verfehlung betrachtet und wertungsmäßig mit der Unfähigkeit des Testamentsvollstreckers zu einer ordnungsgemäßen Ausübung seines Amtes auf eine Stufe gestellt werden kann.

c) Die Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens des Erblassers muss schließlich zu dem Ergebnis führen, dass der Testamentsvollstrecker aus seinem Amt entfernt werden muss.

d) Im Einzelfall kann die Anwendung dieser Grundsätze dazu führen, dass eine Entlassung aus dem Testamentsvollstreckeramt nur dann verlangt werden kann, wenn der Testamentsvollstrecker bei der Verwaltung und Auseinandersetzung des gesamthänderisch gebundenen Nachlasses zum Nachteil des Antragstellers und in einem Maße grob pflichtwidrig gehandelt hat, dass diesem ein weiteres Tätigwerden des Testamentsvollstreckers nicht zugemutet werden kann.

 

Normenkette

BGB § 2227

 

Verfahrensgang

AG Mülheim a.d. Ruhr (Aktenzeichen 4 VI 633/15)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 5 wird der Beschluss des Nachlassgerichts vom 19. Januar 2021 aufgehoben. Der Antrag der Beteiligten zu 2 auf Entlassung des Beteiligten zu 5 von seinem Amt als Testamentsvollstrecker wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden der Beteiligten zu 2 auferlegt.

III. Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: 969.623,20 EUR

 

Gründe

I. Der Erblasser war zuletzt mit der Beteiligten zu 1 (im Rubrum des angefochtenen Beschlusses bezeichnet als Beteiligte zu 2) verheiratet. Aus dieser Ehe stammen die im Jahr 1998 geborene Beteiligte zu 3 (vormals bezeichnet als Beteiligte zu 4) und der im Jahr 1994 geborene Beteiligte zu 4 (vormals Beteiligter zu 6). Aus früheren Ehen sind hervorgegangen die Beteiligte zu 2 (vormals Beteiligte zu 3), ein weiterer Sohn (vormals Beteiligter zu 5) und eine weitere Tochter (vormals Beteiligte zu 1).

Mit notariell beurkundetem Testament vom 5. Dezember 2014 setzte der Erblasser die Beteiligte zu 1 als Erbin zu 1/2-Anteil und die Beteiligten zu 2 bis 4 als Erben zu je 1/6-Anteil ein; seine beiden weiteren Kinder schloss er von der Erbfolge aus. Zwei Immobilien wandte der Erblasser der Beteiligten zu 2 bzw. den Beteiligten zu 3 und 4 jeweils vermächtnisweise zu; über von ihm gehaltene Geschäftsanteile an verschiedenen Gesellschaften verfügte der Erblasser ebenfalls im Wege der Anordnung von Vermächtnissen, die er den Beteiligten zu 1 bis 4 in unterschiedlicher Höhe zuwandte. Der Erblasser ordnete Testamentsvollstreckung an, für den jedem Erben zugewandten Erbteil bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres, für das den Beteiligten zu 3 und 4 ausgesetzte Immobilienvermächtnis ebenfalls bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres und in Bezug auf die den Beteiligten zu 2 bis 4 vermächtnisweise zugewandten Gesellschaftsbeteiligungen dauerhaft. Zum Testamentsvollstrecker bestimmte der Erblasser den Beteiligten zu 5.

Der Beteiligte zu 5 nahm das ihm übertragene Amt an und das Nachlassgericht erteilte ihm am 25. September 2015 ein Testamentsvollstreckerzeugnis, aus dem sich der Umfang der angeordneten Testamentsvollstreckung sowie die dem Testamentsvollstrecker eingeräumten Befugnisse ergeben.

Am 16. Oktober 2020 hat die Beteiligte zu 2 die Entlassung des Beteiligten zu 5 von seinem Amt als Testamentsvollstrecker beantragt. Dazu hat sie dem Beteiligten zu 5 verschiedene Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Transaktionen vom Konto der Erbengemeinschaft vom 6. November 2015 sowie weitere Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Tilgung der Erbschaftssteuer angelastet.

Den Transaktionen vom 6. November 2015 liegt folgendes zugrunde:

Der Erblasser unterhielt unter anderem ein Konto bei der ... in ... (Kontonummer: 4...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge