Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines kartellrechtlichen Anspruchs auf Mitbenutzung von Infrastruktureinrichtungen
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Zugangsanspruch aus § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB scheidet aus, wenn die Mitbenutzung der Infrastruktureinrichtung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
a) Es ist unerheblich, aus welchem Verantwortungsbereich das Zugangshindernis stammt. Erfasst werden nicht nur Gründe aus dem Bereich des Inhabers der Infrastruktureinrichtung (hier: eine entgegenstehende eisenbahnrechtliche Widmung der für die Mitbenutzung benötigten Flächen), sondern gleichermaßen auch Umstände aus der Sphäre des Zugangspetenten (Unvermögen, während der zur Verfügung stehenden begrenzten Nutzungszeit einen Fährbetrieb rentabel aufnehmen und betreiben zu können).
b) Ein Zugangsanspruch scheidet aus dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Unmöglichkeit aus, wenn nach dem Sachstand im Entscheidungszeitpunkt (hier: keine hinreichende lange Betriebsdauer bis zur aktuell veranschlagten Fertigstellung einer Brückenquerung) eine positive Investitionsentscheidung des Zugangspetenten nicht zu erwarten ist. Dass sich die für die Investitionsentscheidung maßgeblichen Verhältnisse (hier: Fertigstellungszeitpunkt der Brückenquerung) ändern könnte, ist unerheblich.
2. Das marktbeherrschende Infrastrukturunternehmen trägt für die Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit der Mitbenutzung nicht die formelle, sondern nur die materielle Beweislast (Feststellungslast).
3. Die Anforderungen an die Feststellungslast sind im kartellbehördlichen Missbrauchsverfahren nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB nicht deshalb geringer, weil das Bundeskartellamt dem marktbeherrschenden Infrastrukturunternehmen nicht die Mitbenutzung seiner Einrichtung aufgibt, sondern lediglich das Führen von Vertragsverhandlungen und die Unterbreitung eines Zugangsangebots.
Verfahrensgang
Tenor
I.
Auf den Antrag der Beteiligten zu 2. wird die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Bundeskartellamts vom 27. Januar 2010 (B 9 - 188/05) angeordnet.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
III.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 30.000.000,- € festge-
setzt (§ 39 Abs. 2 GKG).
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1. betreibt durch ihre Tochtergesellschaften Scandlines Danmark A/S und die Beteiligte zu 2. Fährverbindungen auf der Ostsee.
Diese ist Eigentümerin des Fährhafens Puttgarden/Fehmarn und unterhält als einzige Anbieterin den Fährdienst von Puttgarden nach Rödby/DK (sog. Vogelfluglinie). Die Beigeladenen beabsichtigen, für die Aufnahme eines stündlichen Fährdienstes auf der Vogelfluglinie ein Gemeinschaftsunternehmen zu gründen. Sie möchten den Fähranleger 2 des Hafens Puttgarden in Betrieb nehmen und in dessen östlichem Teil, der von der Beteiligten zu 2. allenfalls geringfügig genutzt wird, Vorstau- und Parkzonen für den Fährbetrieb einrichten. Auf den dafür vorgesehenen Flächen befinden sich derzeit ungenutzte Gleisanlagen, die im Eigentum der DB Netz AG, einer Tochter der Deutschen Bahn AG, stehen. Die Beteiligte zu 2. weigert sich, den Beigeladenen zu den land- und seeseitigen Infrastruktureinrichtungen des Fährhafens Puttgarden Zugang zu gewähren und hindert sie so, einen eigenen Fährbetrieb einzurichten.
Das Bundeskartellamt hält die Zugangsverweigerung der Beteiligten zu 2. für kartellrechtswidrig. Gestützt auf § 32 GWB hat es mit der angefochtenen Verfügung
festgestellt, dass die Weigerung der Beteiligten zu 2., Dritten gegen ein angemessenes Entgelt Zugang zu den in ihrem Eigentum stehenden see- und landseitigen Infrastruktureinrichtungen des Fährhafens Puttgarden zu gewähren, um einen zwischen Rödby und Puttgarden verkehrenden Fährdienst für Passagiere und Kraftfahrzeuge einzurichten und zu betreiben gegen Art. 102 AEUV (früher: Art. 82 EG) und § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB verstößt;
festgestellt, dass die Weigerung der Beteiligten zu 2., die für eine Mitbenutzung des Fährhafens Puttgarden erforderlichen Vorkehrungen (insbesondere in Bezug auf Umbaumaßnahmen und öffentlich-rechtliche Genehmigungsverfahren) im Einvernehmen mit den Zugangsinteressenten zu treffen bzw. diese zu ermöglichen, gegen Art. 102 AEUV (früher: Art. 82 EG) und § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB verstößt;
s o w i e folgende Anordnungen getroffen:
3. Zur Abstellung wird die Beteiligte zu 2. verpflichtet, Verhandlungen mit den
Beigeladenen zu 1. und 2. (…) aufzunehmen und die aus ihrer Sicht ange-
messenen Bedingungen einer diskriminierungsfreien Zugangsgewährung zu
formulieren (Zugangsvorschlag); (wird ausgeführt).
4. Die aus Ziff. 3. dieser Verfügung folgenden Verpflichtungen sind wie folgt umzusetzen:
Die Aufnahme von Verhandlungen mit den Beschwerdeführerinnen sowie die Formulierung eines diskriminierungsfreien Zugangsvorschlags erfolgen bis
spätestens zum 22.03.2010.
Dagegen richtet sich die Beteiligte zu 2. mit ihrer Beschwerde. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, an der ...