Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde in Wohnungseigentumsverfahren und Beschwer durch Abweisung eines Antrags auf Beseitigung von Nadelbäumen im Balkonbereich einer Eigentumswohnung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Wert der Beschwer, der sich nach dem Vermögenswerten Interesse des Rechtsmittelführers an der Beseitigung der von zwei Nadelbäumen im Bereich des Balkons seiner Eigentumswohnung ausgehenden Beeinträchtigung (Lichtentzug) richtet, übersteigt 1.500,– DM.
2. Der Jahresbetrag einer um 10 % geminderten fiktiven Monatsmiete kann schon deshalb nicht entsprechend § 16 GKG zur Bemessung der Beeinträchtigung (Beschwer) herangezogen werden, da diese Vorschrift – aus sozialen Erwägungen – allein für die Wertfestsetzung zur Gebührenberechnung gilt.
Normenkette
GKG § 16; WEG § 45 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 05.05.2000; Aktenzeichen 6 T 83/00) |
AG Wuppertal (Urteil vom 22.12.1999; Aktenzeichen 93 UR II 79/99 WEG) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des dritten Rechtszuges – an das Landgericht zurückverwiesen.
Wert des Beschwerdegegenstandes (Gebührenwert):
5.000,– DM.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft … in W. Die Wohnung der Antragstellerin befindet sich im Erdgeschoss der Wohnanlage.
Die Antragstellerin macht geltend, zwei vor 6 oder 7 Jahren angepflanzte Nadelbäume im Bereich vor ihrem Balkon hätten sich mittlerweile derart entwickelt, dass sie einen ausreichenden Lichteinfall in ihre Wohnung verhindern, was den Wohnwert nicht unerheblich reduziere.
Die Wohnungseigentümerversammlung hat am 17. Juni 1999 zu TOP 7 mehrheitlich beschlossen, dass „keine Veränderung zu den bisherigen Strauchschnitten” erfolgen solle.
Die Beteiligte zu 1 hat beantragt,
- den Antragsgegnern aufzugeben, die im Bereich des Grundstücks … W, gelegenen zwei Nadelbäume, vom Hof aus gesehen im rechten Bereich vor der Wohnung der Antragstellerin, Parterre rechts, zu entfernen und vorsorglich,
- den Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 17. Juni 1999 zu TOP 7 aufzuheben.
Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung und Ortsbesichtigung durch Beschluss vom 22. Dezember 1999 die Anträge der Beteiligten zu 1 abgelehnt.
Die Antragstellerin hat gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt, ihre ursprünglichen Anträge weiterverfolgt und hilfsweise beantragt,
die im Bereich des Grundstücks … … W gelegenen zwei Nadelbäume, vom Hof aus gesehen im rechten Bereich vor der Wohnung der Antragstellerin, Parterre rechts, auf eine Höhe von 4 m und einen Radius von 2 m – gemessen vom Stamm aus – zu beschneiden.
Das Landgericht hat am 05. Mai 2000 das Rechtsmittel als unzulässig verworfen, weil der Beschwerdewert 1.500,– DM nicht übersteige.
Die Antragstellerin hat hiergegen sofortige weitere Beschwerde eingelegt, mit dem Antrag, unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen nach ihren zuletzt gestellten Anträgen zu entscheiden.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1.
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.
a)
Die Zulässigkeit des Rechtsmittels ergibt sich ohne weiteres daraus, dass die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen worden ist (vgl. BGH NJW 1992, 3305).
b)
Die sofortige weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Denn die Entscheidung des Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern (§ 27 FGG).
Das Landgericht hat ausgeführt, die sofortige Beschwerde sei unzulässig, weil der Wert der Beschwerde 1.500,– DM nicht übersteige, § 45 Abs. 1 WEG. Maßgeblich für die Bemessung der Beschwerde sei das Vermögenswerte Interesse der Beschwerdeführerin an einer Änderung der angefochtenen Entscheidung in ihrem Sinne, hier also letztlich ihr Interesse an der Beseitigung bzw. dem Rückschnitt der beiden in Rede stehenden Nadelbäume im Bereich vor ihrer Wohnung. Zur Bewertung der von der Antragstellerin geltend gemachten Eigentums- und Besitzstörung an ihrer Wohnung könne, unter Zugrundelegung einer Monatsmiete von 758,50 DM und einer Mietminderung um 10 % von einem jedenfalls 1.200,– DM nicht übersteigenden jährlichen Mietminderungsbetrag ausgegangen werden. Die Minderung um nicht mehr als 10 % sei angemessen, weil selbst nach dem Vorbringen der Antragstellerin die Beeinträchtigung nicht zu jeder Zeit und auch nicht in allen Teilen der Wohnung gegeben sei.
2.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand.
aa)
Der Beschwerdewert richtet sich nach der Beschwer und dem Änderungsinteresse des Beschwerdeführers. Die Beschwerde bestimmt sich danach, was dem einzelnen Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung versagt wird (BGH NJW 1992, 3305). Maßgebend für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist somit allein das Vermögenswerte Interesse des Beschwerdeführers an der Änderung der angefochtenen Entscheidung (BGH a.a.O.; BayObLG WE 1994, 380; Bärmann/Pick/Merle...