Leitsatz (amtlich)
1. Materiell-rechtliche Erwägungen, die über die im Erkenntnisverfahren bereits getroffenen Feststellungen hinausgehen, sind im Zwangsvollstreckungsverfahren ausgeschlossen. Ohne eine Beschränkung des der Vollstreckung zugrundeliegenden Tenors ist dem Schuldner deshalb der Einwand, es handele sich bei den mit der Auskunft verlangten Informationen um sensible, geheimhaltungsbedürftige Daten, jedenfalls dann verwehrt, wenn kein Kartellrechtsverstoß in Rede steht (Bestätigung von OLG Düsseldorf, GRUR 2020, 734, 736 - Cholesterinsenker).
2. Die zwangsweise Durchsetzung von Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüchen stellt weder eine Vereinbarung zwischen Unternehmen noch eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Art. 101 AEUV dar. Eine Beschränkung des Umfangs der sich als Folge einer Patentverletzung ergebenden Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht aus kartellrechtlichen Gründen scheidet daher aus.
3. Auch ohne gerichtliche Inanspruchnahme liegt in der freiwilligen Erfüllung der aus einer Patentverletzung folgenden Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung kein Kartellrechtsverstoß.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4c O 4/19) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Zwangsmittelbeschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 15.09.2020 (4c O 4/19 ZV) wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Schuldnerin.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt EUR 5.000,00.
Gründe
I. Die Gläubigerin geht gegen die Schuldnerin wegen der Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 1 37... durch den Vertrieb bestimmter Eierverpackungen vor. Das Landgericht Düsseldorf hat die Beklagte mit Urteil vom 18.02.2020 (Az. 4c O 4/19) unter anderem zur Auskunft und Rechnungslegung über von ihr begangene patentverletzende Handlungen verurteilt (Ziffer I.2. und I.3. des Tenors).
Im Zwangsmittelverfahren hat das Landgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 15.09.2020 die Schuldnerin mit einem Zwangsgeld in Höhe von EUR 5.000,00, ersatzweise Zwangshaft, dazu angehalten, der Gläubigerin gemäß der Ziffer I.2. und I.3. des genannten Urteils Auskunft zu erteilen. Hierzu hat es ausgeführt, die Schuldnerin könne die geschuldeten Angaben nicht mit Verweis auf das Kartellverbot (Art. 101 AEUV) verweigern. Es handele sich hierbei um einen materiell-rechtlichen Einwand, mit dem sie im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht gehört werden könne. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den angegriffenen Beschluss und den Nichtabhilfebeschluss vom 02.12.2020 verwiesen.
In der sofortigen Beschwerde stützt sich die Schuldnerin insbesondere darauf, dass die Erfüllung der titulierten Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise darstellen würde, die gemäß Art. 101 AEUV verboten sei. Da die Übermittlung der Informationen aus diesem Grunde verboten sei, liege zudem rechtliche Unmöglichkeit vor. Diese Einwände seien auch im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Gläubigerin tritt der Argumentation der Schuldnerin entgegen und zweifelt die zulässige Erhebung der sofortigen Beschwerde an.
II. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Zwangsmittelbeschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 15.09.2020 ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
1. Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 793 ZPO statthaft. Sie ist auch fristgemäß und formgerecht gemäß § 569 Abs. 1, Abs. 2 ZPO eingelegt worden.
a) Hinsichtlich der Zulässigkeit der Beschwerde, ausgehend von der Zustellung des angegriffenen Beschlusses am 17.09.2020 gemäß dem von der Schuldnerin übersandten Empfangsbekenntnis, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die überzeugenden Ausführungen des Landgerichts im Nichtabhilfebeschluss vom 02.12.2020 verwiesen, denen sich der Senat anschließt.
Ergänzend wird angemerkt, dass es bei Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 01.10.2020 (ausgehend von einer Zustellung am 17.09.2020) nicht auf die Frage ankommt, ob die Unterschrift "pro abs." ausreichend war. Denn der Schriftsatz vom 01.10.2020 wurde von Rechtsanwalt A... unmittelbar elektronisch signiert. Spätestens hiermit macht er sich die sofortige Beschwerde inhaltlich zu Eigen.
b) Allerdings gibt die Schuldnerin in der Beschwerde vom 29.09.2020 an, der Beschluss des Landgerichts sei ihr am 16.09.2020 zugegangen. Dies entspricht auch dem Stempel auf der den Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin zugestellten beglaubigten Abschrift des angegriffenen Beschlusses (vgl. Bl. 115 GA) und steht im Einklang mit den dort notierten Fristen. Es kann aber dahingestellt bleiben, auf welches Datum man für den Fristbeginn (§ 569 Abs. 1 S. 2 ZPO) abstellt. Denn die sofortige Beschwerde ist bereits mit dem am 30.09.2020 eingereichten Schriftsatz vom 29.09.2020 ordnungsgemäß innerhalb der Zweiwochenfrist erhoben worden.
aa) Dem steht nicht entgegen, dass die Schuldnerin in diesem Schriftsatz den ...