Leitsatz (amtlich)
1. Aus § 613a Abs. 1 S. 1 (analog) BGB schuldet der Betriebsübernehmer im Innenverhältnis zum Betriebsübergeber keinen Ausgleich für etwaige geldwerte Vorteile.
2. Auch § 613a Abs. 2 BGB regelt für sich betrachtet lediglich die Haftung im Außenverhältnis zwischen dem früheren Betriebsinhaber und den übernommenen Arbeitnehmern.
3. Eine Gesamtschuldnerschaft von früherem und neuem Betriebsinhaber (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 613a Abs. 2 BGB) entsteht nicht für solche vor dem Betriebsübergang entstandenen und fällig gewordenen Arbeitnehmeransprüche, die bereits vor dem Betriebsübergang durch den früheren Betriebsinhaber erfüllt wurden.
Verfahrensgang
LG Kleve (Aktenzeichen 1 O 263/21) |
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
II. Der auf den 23.01.2024 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 65.144,- festgesetzt.
Gründe
A. Der Unternehmensgegenstand beider Parteien ist die Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Übernahme von Luftsicherheitsaufgaben nach § 5 und 8 LuftSiG. Die Klägerin, welche bis zum 31.12.2020 vom Land NRW mit Fluggastkontrolldienstleistungen auf dem Flughafen A beauftragt war, begehrt von der später zuständigen Beklagten einen Ausgleich für durch die Klägerin an ihre seinerzeitigen Mitarbeiter bezahlten und später von der Beklagten als Arbeitszeitkonto übernommenen 2.447,32 Minusarbeitsstunden, die sich während der Corona-Pandemie und vor dem Betriebsübergang angesammelt hatten. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes der ersten Instanz einschließlich der dortigen Anträge der Parteien wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Klägerin stehe gegen die Beklagte selbst dann kein Anspruch auf Zahlung von EUR 65.144,03 aufgrund eines Ausgleichs negativer Arbeitszeitkonten ihrer ehemaligen 87 Mitarbeiter zu, wenn man ihr Klagevorbringen als wahr unterstelle. Ein vertraglicher Anspruch bestehe mangels vertraglicher Verbindung der Parteien nicht. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem Vertrag des Landes Nordrhein-Westfalen (vertreten durch das Verkehrsministerium, dieses vertreten durch die Bezirksregierung B) mit der Beklagten iVm § 328 BGB. Ebenso wenig bestünden gesetzliche Ausgleichsansprüche der Klägerin gem. § 613a Abs. 1 S. 1 BGB (iVm § 426 BGB). Durch § 613a Abs. 1 BGB sei bloß geregelt, dass der neue Arbeitgeber an die Stelle des bisherigen Arbeitgebers trete und Schuldner aller bisher entstandenen Pflichten werde. Über das Verhältnis zum alten Arbeitgeber werde indessen keine Aussage getroffen. Ein entsprechender Anspruch der Klägerin folge auch nicht aus § 613a Abs. 2 BGB, da diese Regelung keinen direkten Anspruch des bisherigen Betriebsinhabers gegen den neuen Betriebsinhaber vorsehe, sondern eine (gesamtschuldnerische) Haftung des bisherigen Arbeitgebers nach Betriebsübergang in bestimmten Fällen gegenüber den Arbeitnehmern begründe. Auch nach der Historie und dem Telos der Regelung lasse sich eine Haftung des neuen Arbeitgebers gegenüber dem alten Arbeitgeber nicht erkennen. Für eine analoge Anwendung des § 613a Abs. 2 BGB bestehe kein Raum, da weder eine planwidrige Regelungslücke noch eine vergleichbare Interessenlage vorlägen. § 613a Abs. 2 BGB regele lediglich die Haftung im Außenverhältnis zwischen dem früheren Betriebsinhaber und den übernommenen Arbeitnehmern. Mit Blick auf § 426 Abs. 1 S. 1 BGB gelte: Die Haftung im Innenverhältnis zwischen dem bisherigen und dem neuen Betriebsinhaber richte sich in erster Linie nach der im Übernahmevertrag getroffenen Vereinbarung. Lasse sich wie hier keine Regelung ermitteln, gelte § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen hafteten, soweit nicht ein anderes bestimmt sei. Voraussetzung für einen Gesamtschuldnerausgleich sei aber eine gesamtschuldnerische Haftung der Parteien im Sinne von §§ 613a Abs. 2, 421 BGB in Bezug auf die Arbeitnehmer. Eine solche Verpflichtung sei hier nicht ersichtlich. Zwar habe es einen Anspruch der Arbeitnehmer während der Coronapandemie gegen die Klägerin aufgrund Betriebsvereinbarungen der Klägerin mit dem Betriebsrat gegeben, wonach die Klägerin trotz Arbeitszeitverkürzungen gleichwohl das gesamte Stammpersonal des Flughafens im Bereich der Flugsicherheitsdienste mit den vertragsgemäßen Stunden abrechnen und auch die betreffenden Beträge an die Mitarbeiter habe auszahlen müssen. Diese Verpflichtungen seien jedoch hinsichtlich der einzelnen Mitarbeiter und Stunden vor Betriebsübergang fällig und - den Vortrag der Klägerin als wahr unterstellt - auch in der geltend gemachten Höhe durch die Klägerin erfüllt worden. Eine entsprechende Verpflichtung zu...