Leitsatz (amtlich)
Begehrt der Antragsgegner im Rechtfertigungsverfahren zur Bestätigung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung wegen Ablaufs der Vollziehungsfrist und erkennt der Antragsteller den Aufhebungsanspruch an, so sind ihm die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, es sei denn der Verfügungsanspruch ist nachträglich entfallen und die Vollziehung deshalb unterblieben.
Normenkette
ZPO §§ 942, 929, 307, 99, 93
Verfahrensgang
LG Kleve (Aktenzeichen 1 O 256/11) |
Tenor
Auf die die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Kostenentscheidung der 1. Zivilkammer des LG Kleve in seinem Anerkenntnisurteil vom 16.12.2011 wird diese abgeändert.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht der Summe der erstinstanzlich entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die gegen die Kostenentscheidung des LG im Anerkenntnisurteil vom
16.12.2011 gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist gem. § 99 Abs. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 567 ff. ZPO). Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Denn die Kosten des Verfügungsverfahrens sind der Antragstellerin aufzuerlegen. Für eine Anwendung von § 93 ZPO zu ihren Gunsten ist hier kein Raum.
I. Die vom AG Rheinberg nach § 942 Abs. 1 ZPO als dem Gericht der belegenen Sache zunächst erlassene einstweilige Verfügung vom 29.8.2011 ist nach den Feststellungen des LG innerhalb der in §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO bestimmten Frist nicht wirksam vollzogen worden. In einem solchen Fall ist die einstweilige Verfügung aufzuheben, was sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im Verfahren nach § 927 (OLG Karlsruhe, Magazindienst 1998, 326; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 929 Rz. 21) und auch im sog. Rechtfertigungsverfahren nach § 942 Abs. 1 ZPO geschehen kann. Hier hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 6.9.2011 entsprechend der ihr vom AG Rheinberg in der Beschlussverfügung 29.8.2011 gesetzten Frist die Ladung der Antragsgegnerin zur mündlichen Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung beantragt. Daraufhin hat die Antragsgegnerin vor dem LG beantragt, die einstweilige Verfügung aufzuheben, weil diese nicht innerhalb der in §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO bestimmten Frist wirksam vollzogen worden ist. Eine Anwendung des § 93 ZPO zugunsten der Antragstellerin kommt unter diesen Umständen entgegen der Auffassung des LG nicht in Betracht.
Richtig ist zwar, dass nach herrschender Meinung der Antragsgegner des Anordnungsverfahrens vor der Einleitung des gerichtlichen Aufhebungsverfahrens nach §§ 927, 936 ZPO den Antragsteller zur außergerichtlichen Herbeiführung der Aufhebungswirkungen aufzufordern hat, wenn er keine negative Kostenentscheidung riskieren will. Der Aufhebungsgegner kann andernfalls im Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO unter Berufung auf § 93 ZPO ein Anerkenntnis abgeben. An einer Veranlassung, die Aufhebung der einstweiligen Verfügung zu beantragen, fehlt es regelmäßig so lange, wie der Antragsgegner den Antragsteller nicht vergeblich zum Verzicht auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung zur Herausgabe des Titels aufgefordert hat (vgl. KG, GRUR 1999, 1133; OLG Frankfurt OLGZ 1982, 346; AfP 1991, 627; NJW-RR 1999, 1742; OLG Koblenz GRUR 1989, 373; OLG München GRUR 1985, 161; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rz. 295; Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap. 60 Rz. 6; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 56 Rz. 37; vgl. a. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 93 Rz. 6 Stichwort "Einstweilige Verfügung"). Soweit der Antragsgegner darüber hinaus die Voraussetzungen als gegeben ansieht, unter denen dem Antragsteller mit der Aufhebungsentscheidung ausnahmsweise auch die Kosten des Anordnungsverfahrens aufzuerlegen wären, was auch dann der Fall ist, wenn der Antragsteller die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO versäumt (h.M., vgl. OLG Düsseldorf [20. ZS], WRP 1993, 327; OLG Düsseldorf [22. ZS], NJW-RR 2000, 68; OLG Frankfurt NJW-RR 2002, 1080; OLG Karlsruhe WRP 1996, 120; Teplitzky, a.a.O., Kap. 56 Rz. 38 m.w.N.), hat der Antragsgegner den Antragsteller weiter aufzufordern, auch diese Kosten zu übernehmen (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1999, 1742; OLG Karlsruhe WRP 1996, 120; Teplitzky, a.a.O., Kap. 56 Rz. 37).
Entsprechendes soll auch für das Aufhebungsverfahren nach §§ 926 Abs. 2, 936 ZPO gelten (vgl. Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap. 60 Rz. 6; Berneke, a.a.O., Rz. 272). Erkennt der Antragsteller des Anordnungsverfahrens den Aufhebungsantrag an, muss hiernach unter den Voraussetzungen des § 93 ZPO der Antragsgegner die Kosten des Aufhebungsverfahrens tragen. Für den Antragsgegner besteht Veranlassung zur Einleitung des Aufhebungsverfahrens nach § 926 Abs. 2 ZPO erst nach einer vergeblichen Aufforderung an den Antragsteller, auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu verzichten, den Titel...