Leitsatz (amtlich)
1. Die Aufhebung einer Nichtabhilfeentscheidung durch das Beschwerdegericht kann wegen Verletzung der Pflicht zur Prüfung und Selbstkontrolle bzw. Nichtbeachtung wesentlichen Vorbringens im Abhilfeverfahren auch geboten sein, wenn erst die Beschwerderwiderung präzisierend auf von Amts wegen zu beachtende Umstände (hier: möglicherweise fehlende Verfahrensfähigkeit des Beschwerdeführers) hinweist.
2. Die Zurückweisung eines Erbscheinsantrags aus sachlichen Gründen beschwert den Antragsteller gegenüber einer Ablehnung seines Antrags als unzulässig wegen Verfahrensunfähigkeit, weil es ihm im ersteren Fall verwehrt ist, unter unveränderten sachlichen Gegebenheiten erneut den gleichen Erbscheinsantrag zu stellen.
Normenkette
FamFG § 9 Abs. 5, § 68 Abs. 1 S. 1, § 69 Abs. 1 S. 2; ZPO § 56
Verfahrensgang
AG Kleve (Beschluss vom 14.04.2014; Aktenzeichen 17 VI 234/05) |
Tenor
Der Nichtabhilfebeschluss sowie die Vorlageverfügung des Nachlassgerichts vom 10.7.2014 werden aufgehoben.
Die Akten werden dem AG - Nachlassgericht - zur ordnungsgemäßen Durchführung des Abhilfeverfahrens zurückgegeben.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind die Kinder des zwischen dem 06. und 8.3.2005 verstorbenen Erblassers; seine Ehefrau ist bereits 2001verstorben.
Die Beteiligte zu 2 hat unter dem 19./22.10.2012 die Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge mit dem Inhalt beantragt, dass der Erblasser zu je 1/3 Anteil von ihr sowie von den Beteiligten zu 1 und 3 beerbt worden sei.
Sie hat die Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung vom 1.5.2002, die den Beteiligten zu 1 als Alleinerben ausweist, geltend gemacht, weil der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung dieses Testaments testierunfähig gewesen sei.
Das AG hat mit Beschluss vom 28.2.2013 die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 2 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und zur Begründung ausgeführt, der Erblasser sei nach gesetzlicher Erbfolge von seinen drei Kindern, den Beteiligten zu 1 bis 3, beerbt worden.
Hiergegen hat der Beteiligte zu 1 sich beschwert und geltend gemacht hat, die über den Erblasser erstatteten Gutachten seien unvollständig, weil sie den Einfluss seines Gesundheitszustandes - er leide unter paranoider Schizophrenie - auf den Erblasser und die damit verbundenen Äußerungen nicht berücksichtigten. So sei es nicht auszuschließen, dass die von der Beteiligten zu 2 vorgebrachten Wahnvorstellungen auch von ihm stammen können und der Erblasser, zu dem er in dem Zeitraum des Jahres 2002 fast alleinigen Kontakt gehabt habe, auch seine Äußerungen mündlich wiedergegeben habe.
Das AG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 26.3.2013 nicht abgeholfen und die Sache dem LG Kleve zur Entscheidung vorgelegt, das die Übernahme der Sache mit Beschluss vom 8.4.2013 abgelehnt hat; das AG hat dieselbe daraufhin dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 5.6.2013 hat der Beteiligte zu 1 sein Rechtsmittel zurückgenommen.
Unter dem 14.8.2013 hat der Beteiligte zu 1 zu Protokoll des Nachlassgerichts nunmehr auf der Basis eines am 16.7.2013 eröffneten privatschriftlichen Testaments vom 2.5.2002 (17 VI 519/13 AG Kleve) - dieses habe er erst kürzlich gefunden - einen ihn als Alleinerben nach dem Erblasser ausweisenden Erbschein beantragt.
Im bisherigen Verfahrensverlauf - so der Beteiligte zu 1 - sei eine Testierunfähigkeit des Erblassers nur für den 1.5.2002 festgestellt worden, nicht aber zum Datum des jetzt vorgelegten Testaments.
Die Beteiligte zu 2 ist dem entgegen getreten und hat geltend gemacht, der Erblasser sei krankheitsbedingt auch am 2.5.2005 testierunfähig gewesen.
Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 20.9.2013 Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. K., der sich im Anschluss an sein Gutachten vom 28.6.2006 mit der Frage auseinandersetzen solle, ob es Anhaltspunkte für ein Wiedererlangen der Testierfähigkeit des Erblassers mit dem Ablauf des 1.5.2002 gibt.
Der Sachverständige ist in seinem psychiatrischen Gutachten vom 2.1.2014 zu dem Ergebnis gelangt, es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass sich der mit dem Vorgutachten für den 1.5.2002 attestierte Zustand des Erblassers mit Ablauf des 1.5.2005 verbessert haben könnte, was nach dem beurteilten Krankheitsverlauf auch auszuschließen sei.
Das AG - Nachlassgericht - hat sodann mit Beschluss vom 14.4.2014 den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und ausgeführt, derselbe sei unbegründet, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Abfassung des Testamentes vom 2.5.2005 ebenfalls testierunfähig gewesen sei.
Der Beteiligte zu 1, der selbst vorbringt, er leide an paranoider Schizophrenie, "der schwersten psychischen Krankheit überhaupt", er habe im Verlauf des bisherigen Verfahrens zeitweise stress- bzw. belastungsbedingte Wahnvorstellungen gehabt, beschwert sich gegen die amtsgerichtliche Entscheidung, wiederholt seine Angriffe gegen die früheren gutachterlichen Feststellungen und de...