Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine in Deutschland ansässige Kfz-Versicherung durch ein italienisches Gericht zur Regulierung eines Kaskoschadens aus dem Diebstahl eines Kraftfahrzeugs verurteilt, so kann die Verletzung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit durch das Erstgericht im Exequaturverfahren nicht auf Rüge der Versicherung nachgeprüft werden.
2. Zur Frage einer Sperrwirkung des Verbots der révision au fond (Art. 45 Abs. 2 EuGVVO) auch für die Prüfung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 35 Abs. 1, 9 Abs. 1b EuGVVO bei doppelwertigen Merkmalen (hier: Annahme des Erstgerichts, der Kläger habe durch Erwerb des Fahrzeugs die Rechtsstellung des ursprünglichen Versicherungsnehmers erlangt).
Normenkette
EuGVVO Art. 8, 9 Abs. 1b), Art. 34, 35 Abs. 1, Art. 36, 45-46, 66 Abs. 2a
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 01.07.2005; Aktenzeichen 13 O 269/05) |
Tenor
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 2).
Wert: 70.764 EUR.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1) ist italienischer Staatsbürger. Er hat am 14.7.2004 ein Urteil der Zweiten Zivilkammer des Corte di Appello di Brescia erwirkt, durch das die Beteiligte zu 2) als deutscher Kraftfahrzeug-Kasko-Versicherer zur Zahlung eines Schadens wegen Diebstahls des Fahrzeugs M. i.H.v. 65.264,05 EUR nebst Prozesskosten i.H.v. 5.500 EUR zzgl. Mehrwertsteuer verurteilt wurde.
Die Vorsitzende der 13. Zivilkammer des LG Düsseldorf hat auf Antrag des Beteiligten zu 1) durch Beschl. v. 1.7.2005 angeordnet:
"Das Urteil des Berufungsgerichts in Brescia Nr. 931/04 vom 14.7.2004 ist mit folgendem Tenor auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit der Vollstreckungsklausel zu versehen:
Die Beklagte (Antragsgegnerin) wird verurteilt, an den Kläger 65.264,05 EUR sowie Gerichtskosten von 5.500 EUR zzgl. 20 % Mehrwertsteuer auf die Kosten zu zahlen."
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 2) mit ihrer Beschwerde, mit der sie geltend macht, die Anerkennung des italienischen Urteils sei nach Art. 35 Abs. 1 EuGVVO zu verweigern. Da es vorliegend um eine Versicherungssache gehe, fehle es nach Art. 8 ff. EuGVVO an der internationalen Zuständigkeit italienischer Gerichte. Sie, die Beschwerdeführerin, habe sich in Italien in erster und zweiter Instanz jeweils gem. Art. 24 S. 2 Halbs. 1 EuGVVO eingelassen. Das LG Mantova habe rechtsirrig eine Zuständigkeit nach Art. 7 ff. EuGVÜ (jetzt: Art. 8 ff. EuGVVO) angenommen, da es nach den nicht anwendbaren italienischen Bestimmungen von einem Rechtsübergang des Versicherungsverhältnisses auf den Beteiligten zu 1) ausgegangen sei. Der Beteiligte zu 1) habe seinerzeit mit der Unterschrift unter das Schadensformular vom 16.3.1995 bestätigt, nicht Versicherungsnehmer des in Rede stehenden Versicherungsverhältnisses zu sein.
Sie beantragt,
(i) den erstinstanzlichen Beschluss zu ändern und den Antrag des Beteiligten zu 1) auf Zulassung der Zwangsvollstreckung und Klauselerteilung für das Urteil des Berufungsgerichts in Brescia Nr. 931/2004 vom 14.7.2004 zurückzuweisen, hilfsweise
(ii) das Verfahren auf Zulassung der Zwangsvollstreckung und Klauselerteilung für das Urteil des Berufungsgerichts in Brescia Nr. 931/2004 vom 14.7.2004 auszusetzen.
Der Beteiligte zu 1) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor, das italienische Gericht habe internationale Zuständigkeitsnormen nicht verletzt. Art. 8 EuGVÜ (nunmehr Art. 9 Abs. 1 S. 2 EuGVVO) bestimme, dass der Versicherer, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat, bei Klagen eines Versicherungsnehmers vor dem Gericht des Ortes, an dem der Kläger seinen Wohnsitz hat, verklagt werden könne. Ursprüngliche Partnerin des Versicherungsvertrages sei die C. GmbH gewesen, die das versicherte Fahrzeug an ihn, den Beteiligten zu 1, veräußert habe; er sei somit Rechtsnachfolger der Verkäuferin im Hinblick auf den Versicherungsvertrag gewesen. Als solcher habe er das international zuständige Gericht insofern wählen dürfen, als er die Klage nach Art. 8 EuGVÜ auch vor dem Gericht des Ortes seines Wohnsitzes habe erheben können. Ein Verstoß gegen den ordre public sei nicht ersichtlich; die Anerkennung des Urteils verstoße nicht gegen die öffentliche Ordnung i.S.d. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO. Aus der Schadensmeldung gehe lediglich hervor, dass er, der Beteiligte zu 1, als "Fahrer" unterschrieben habe; dies lasse jedoch weder darauf schließen, dass er nicht in den Versicherungsvertrag eingetreten sei und die Prämienzahlung übernommen habe noch sei hierin eine Treuwidrigkeit zu sehen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen bezug genommen.
II. Die innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung des LG eingegangene Beschwerde der Beteiligten zu 2) (Art. 43 Abs. 1, 5 EuGVVO) ist zulässig. In der Sache bleibt das Rechtsmittel indes ohne Erfolg.
1. Die Vollstreckbarerklärung eines nach dem 1.3.2002 erlassenen italienischen Urteil...