Leitsatz (amtlich)
1. Der Rechtsanwalt darf sich nicht mit der ersten Information seines Auftraggebers (Mieters) begnügen, sondern hat sich durch zusätzliche Fragen um eine ergänzende Aufklärung zu bemühen, wenn nach den Umständen für eine zutreffende rechtliche Einordnung die Kenntnis weiterer Tatsachen erforderlich ist, deren rechtliche Bedeutsamkeit für den Mandanten nicht ohne weiteres ersichtlich ist.
2. Der Rechtsanwalt hat den Mandanten über die mit der Abwehr einer Kündigung des Vermieters und der Rechtsverteidigung gegen eine Räumungsklage verbundenen Risiken aufzuklären, wenn der Mandant die Mietzahlungen unter Berufung auf nicht gesicherte aufrechenbare Schadensersatzansprüche einstellen will.
3. Allerdings ist die fehlerhafte Beratung für die Kostenschäden des Mandanten/Mieters nicht ursächlich, wenn sich der Mandant jedenfalls auch gegen eine wegen Eigenbedarfs berechtigte Kündigung und eine darauf gestützte Räumungsklage zur Wehr gesetzt hätte.
Normenkette
BGB §§ 675, 611, 280, 535, 536a, 543
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 07.07.2010; Aktenzeichen 3 O 61/10) |
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das am 7.7.2010 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Wuppertal wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Der Berufungsstreitwert wird auf 7.647,55 EUR festgesetzt
Gründe
I. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das LG hat die gegen den beklagten Rechtsanwalt gerichtete Klage auf Ersatz der von den Klägern geltend gemachten Schäden i.H.v. insgesamt 7.647,55 EUR (5.517,55 EUR Kostenschäden im Vorprozess 10 C 271/08 AG Solingen = - 16 S 114/08 LG Wuppertal [künftig Vorprozess] und 2.230 EUR Umzugskosten zzgl. Zinsen und außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten) im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die dagegen vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine den Klägern günstigere Entscheidung. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 15.11.2010. Dort hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt:
"1. Allerdings stößt die Rechtsauffassung des LG auf Bedenken, den Beklagten treffe schon keine Pflichtverletzung. Das beurteilt der Senat anders. Der Beklagte hat die Kläger in doppelter Hinsicht unrichtig beraten.
a) Richtig ist zwar der vom LG eingenommene rechtliche Ausgangspunkt zum Umfang der den Rechtsanwalt im Verhältnis zum Mandanten treffenden Beratungspflicht. Das entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung, wie sie auch der Senat stets anwendet (vgl. zuletzt OLG Düsseldorf MDR 2010, 769 [juris Tz. 3]). Das LG hat aber übersehen, dass zur vollständigen und umfassenden Beratung auch gehört, den Mandanten über die zu erwartenden Risiken der Rechtsverfolgung aufzuklären. Der Rechtsanwalt muss den ihm vorgetragenen Sachverhalt darauf prüfen, ob er geeignet ist, den begehrten Anspruch zu stützen (BGH MDR 2000, 297). Durch geeignete Befragung des Mandanten muss er rechtlich relevante Sachverhaltslücken aufklären (BGH NJW 1982, 437; 1994, 1472). Das gilt vor allem dann, wenn nach den Umständen für eine zutreffende rechtliche Einordnung die Kenntnis weiterer Tatsachen erforderlich ist, deren rechtliche Bedeutsamkeit für den Mandanten nicht ohne weiteres ersichtlich ist. In diesen Fällen darf sich der Anwalt nicht mit dem begnügen, was sein Auftraggeber berichtet, sondern hat sich durch zusätzliche Fragen um eine ergänzende Aufklärung zu bemühen (BGH NJW 1996, 2929; NJW 1998, 2048 = FamRZ 1998, 896; NJW 2000, 730 = MDR 2000, 297; NJW 2002, 1413; NJW 2006, 501 = MDR 2006, 238). Ferner hat er zu klären, ob für beweisbedürftige Tatsachen geeignete Beweismittel zur Verfügung stehen (BGH NJW 1988, 2113, 2114 sub III. 3). Schließlich muss der Rechtsanwalt prüfen und den Mandanten darüber aufklären, ob und welche tatsächlichen und rechtlichen Risiken mit der außergerichtlichen und/oder gerichtlichen Verfolgung des geltend gemachten Anspruchs verbunden sind (vgl. BGH NJW-RR 2003, 194; NJW 2001, 115; 1996, 2648; 1994, 1211; 1992, 1159; OLG Düsseldorf FamRZ 2004, 1647 m.w.N.). Dabei obliegt es dem Rechtsanwalt zwar nicht, die Erfolgsaussicht mit mathematischer Genauigkeit anzugeben. Er muss aber auf ein besonders hohes Risiko aufmerksam machen (BGH NJW 1994, 791; 1988, 2113; OLG Düsseldorf, a.a.O., und zuletzt MDR 2010, 769 [juris Tz. 4]).
b) Über die mit der Rechtsverfolgung verbundenen Risiken, insbesondere über das den Klägern drohende Kündigungsrisiko aus § 543 Abs. 1 S. 1 Nr. 3a BGB, wenn sie die Mietzahlung unter Berufung auf die von ihnen beanspruchte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen einstellen würden, hat der Beklagte nicht ausreichend aufgeklärt.
aa) Dabei geht der Senat mit dem LG allerdings davon aus, dass die Aufrechnung entgegen der vom AG im Vorprozess vertretenen Meinung nicht erst im Schreiben vom 4.10.2007, sondern, wie es bereits das LG im Berufungsverfahren des Vorprozesses zutreffend erwogen hat, schon im Schreiben vom 28.8.2007 unmissverständlich angekündigt worden war, so dass in Verbindung mit den entsprechend der A...