Leitsatz (amtlich)
Eine spätere Relativierung der Gefahreneinschätzung (hier: Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Betroffenen nach § 170 Abs. 2 StPO) macht eine ursprünglich rechtmäßig angeordnete Maßnahme (hier: Durchsuchung einer Wohnung zum Zwecke der Sicherstellung von Waffen) nicht rechtswidrig.
Normenkette
PolGNW § 41 Abs. 1 Nr. 2; PolGNW § 43 Nr. 1; FamFG § 62 Abs. 2 Nr. 1; StPO § 170 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Düsseldorf (Beschluss vom 04.05.2011; Aktenzeichen 151 GS 646/11) |
Tenor
Das Rechtsmittel wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 3.000 EUR
Gründe
I. Durch Beschluss vom 4.5.2011 ordnete das AG Düsseldorf gem. §§ 41 Abs. 1 Ziff. 2, 43 Ziffer PolG NRW auf Antrag des Beteiligten zu 2) vom 2.5.2011 das Betreten und die Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen zum Zwecke der Sicherstellung von Waffen an.
Der Beschluss wurde am 18.5.2011 in Anwesenheit des Beteiligten zu 1) und seiner Verfahrensbevollmächtigten vollstreckt. Eine Schusswaffe konnte anlässlich der Durchsuchung nicht gefunden werden.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 6.6.2011 hat der Beteiligte zu 1) Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegt.
Durch Verfügung vom 9.11.2011 hat das AG der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache durch Verfügung vom 18.11.2011 dem OLG vorgelegt.
Der Beteiligte zu 1) hat mit anwaltlichem Schreiben vom 23.1.2012 zur Begründung seiner Beschwerde geltend gemacht, er habe sich weder eine Pistole besorgt noch gedroht, die Familie seiner Ehefrau umzubringen. Die Angaben seiner Ehefrau anlässlich ihrer richterlichen Vernehmung am 7.12.2011 widersprächen ihren früheren Angaben.
Durch Beschluss vom 1.2.2012 hat der Senat die Sache zur Durchführung des Nichtabhilfeverfahrens an das AG zurückgegeben. Nach Anhörung des Beteiligten zu 2) hat das AG der Beschwerde durch Beschluss vom 5.4.2012 nicht abgeholfen und die Sache erneut dem OLG vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.1. Die Beschwerde ist nach § 42 Abs. 1 Satz 3 PolGNW in Verbindung mit § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt worden. Zwar ist infolge des Vollzugs der Wohnungsdurchsuchung die Erledigung der angegriffenen richterlichen Anordnung eingetreten. Dies lässt das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers jedoch nicht entfallen. Die Beschwerde ist auch nach Erledigung der angefochtenen Maßnahme zulässig. Der Betroffene macht ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtsverletzung im Sinne des § 62 Abs. 1 FamFG geltend. Diesbezüglich liegt der Regelfall des § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG vor; denn in einer Wohnungsdurchsuchung liegt ein schwerwiegender Grundrechtseingriff (ständige Rechtsprechung des BVerfG schon vor dem In-Kraft-Treten des FamFG; vgl. etwa Beschluss vom 30.4.1997; 2 BvR 817/90). Der Senat ist instanziell zuständig gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG (vgl. BGH 20.12.2011, BeckRS 2012, 03448).
2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel allerdings ohne Erfolg.
Nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 PolG darf eine Wohnung durchsucht werden, wenn Tatsachen die Annahmen rechtfertigen, dass sich in ihr eine Sache befindet, die nach § 43 Nr. 1 PolG - zu Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr - sichergestellt werden darf. Dazu gehören auch Waffen, deren Besitz im Einzelfall nach den §§ 52 ff. WaffG strafbar ist (vgl. OLG Brandenburg 24.6.2010 11 Wx 33/10 zum inhaltsgleichen Brandenburgischen PolG). Dabei sind bei der Prüfung des Vorliegens einer gegenwärtigen Gefahr an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts um so geringere Anforderungen zu stellen, je größer der zu erwartende Schaden und je ranghöher das Schutzgut sind. Dies gilt auch im Bereich der Gefahrenabwehr (OLG Düsseldorf, NVwZ 2002, 629; Ring StV 1990, 372, 376).
Diese Voraussetzungen hat das AG zu Recht bejaht.
a) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer bereits vollzogenen Durchsuchungsanordnung kommt es auf denjenigen Sachverhalt an, der für den zuständigen Amtsrichter im Zeitpunkt seiner Entscheidung erkennbar war; das Gericht hat vor Anordnung der Durchsuchung auch die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu prüfen, das heißt zu erwägen, ob konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass der Betroffene die Durchsuchung verweigern werde (OLG Hamm NVwZ-RR 2010, 921 f. m.w.N.).
b) Die Durchsuchungsanordnung wurde veranlasst durch das auf Grund einer Strafanzeige der Ehefrau eingeleitete Ermittlungsverfahren. Die Ehefrau hatte am 26.4.2011 gegenüber der Polizei angegeben, von ihrem Ehemann mit einem Messer bedroht worden zu sein und sich daraufhin zu ihrer Schwester nach Straßburg begeben zu haben. Am 2.5.2011 meldete sich bei der Polizei telefonisch eine Mitarbeiterin des Frauenhauses in Rastatt, in dem sich die Ehefrau des Beteiligten zu 1) zu diesem Zeitpunkt aufhielt, und teilte mit, der Beteiligte zu 1) habe am Tag zuvor bei der Schwester seiner Ehefrau angerufen und erklärt, er habe sich eine Pistole besorgt und wolle die ganze Familie umbri...