Leitsatz (amtlich)
1. Zur Nachbeurkundung einer in Syrien geschlossenen Ehe aufgrund einer 2018 vom syrischen Standesamt ausgestellten, mit einer von der deutschen Botschaft in Beirut als echt bestätigten Unterschrift versehenen Eheschließungsurkunde (hier: Aufhebung der die Nachbeurkundung unter Hinweis auf widersprüchliche Angaben des Antragstellers zum Familienstand ablehnenden Entscheidung des Amtsgerichts durch den Senat wegen unterbliebener, bzw. nicht erwogener Durchführung gebotener Ermittlungen, ggf. auch einer bei Beweisnot vom Standesamt anzuregenden, selbst abzunehmenden eidesstattlichen Versicherung).
2. Das Verschlechterungsverbot ("reformatio in peius") gilt nicht für Beschwerdeentscheidungen über eine vom nicht beschwerten Standesamt gemäß § 53 Abs. 2 PStG eingelegte Beschwerde.
Normenkette
EGBGB Art. 13; FamFG § 26; PStG §§ 9-10, 15, 34, 53 Abs. 2; PStV § 5
Verfahrensgang
AG Düsseldorf (Aktenzeichen 94 III 39/19) |
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts vom 5. März 2020 wird aufgehoben.
Das beteiligte Standesamt wird angewiesen, das Verfahren unter Beachtung der Gründe des nachfolgenden Senatsbeschlusses fortzuführen und den Antrag des Beteiligten zu 1 auf Nachbeurkundung der Ehe neu zu bescheiden.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1 begehrt die Nachbeurkundung seiner in Syrien geschlossenen Ehe. Dazu stützt er sich auf eine vom Standesamt von Rastan, Bezirk Homs, am 26. Februar 2018 ausgestellte Eheschließungsurkunde. Die Echtheit der auf der Urkunde aufgebrachten Unterschrift hat die deutsche Botschaft in Beirut am 27. März 2018 bestätigt.
Zunächst hat der Beteiligte zu 1 vorgetragen, am 20. Oktober 2010 in Syrien vor einem Iman nach sozialem bzw. traditionellem Recht die Ehe geschlossen zu haben. Nach der Heirat sei er zur See gefahren und habe auf Frachtschiffen gearbeitet. Als der Krieg in Syrien ausgebrochen sei, sei seine Frau nach Damaskus geflohen und es sei ihr erst im Jahr 2018 gelungen, eine Urkunde über die Eheschließung zu erlangen. Er habe bei seiner Einreise in die Bundesrepublik im Jahr 2014 angegeben, ledig zu sein, da er wohl nach Zivilrecht als ledig gelte; überdies habe er das aus Scham und Angst davor, mit dem IS in Verbindung gebracht zu werden, getan. Sein Antrag auf Familienzusammenführung sei abgelehnt worden.
Das beteiligte Standesamt hat die Nachbeurkundung der Eheschließung nicht vorgenommen, da die Wirksamkeit der in Syrien geschlossenen Ehe nicht festgestellt werden könne. In letzter Zeit komme es vermehrt vor, dass den deutschen Auslandsvertretungen spät-registrierte Eheverträge aus Syrien vorgelegt würden; häufig werde die spätere Registrierung erst dann beantragt, wenn - wie hier bei einem Antrag auf Familienzusammenführung - für bestimmte Zwecke eine Eheurkunde erforderlich sei.
In seiner weiteren Stellungnahme vom 25. Februar 2020 hat der Beteiligte zu 1 vorgebracht, nach offiziellem syrischen Recht bis zum Jahr 2018 nicht verheiratet gewesen zu sein. Seit der Eheschließung nach islamischem Recht habe er seine Frau nicht wieder treffen können, da er nach der Heirat in Ägypten sein Nautik-Studium abgeschlossen habe und sodann zur See gefahren sei. Erst in Deutschland habe er von der Möglichkeit erfahren, nachträglich eine Urkunde über die islamische Eheschließung und eine staatliche Anerkennung der Heirat zu erlangen. Es dürfte nicht pauschal unterstellt werden, dass eine Eheschließung nicht stattgefunden habe.
Das Amtsgericht hat den Antrag des Beteiligten zu 1 auf Anweisung des Standesamtes zur Nachbeurkundung der Ehe mit Beschluss vom 5. März 2020 zurückgewiesen. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Eheschließung wie behauptet stattgefunden habe. Der Beteiligte zu 1 habe widersprüchliche Angaben zu seinem Familienstand gemacht, ohne hierfür einen plausiblen Grund anführen zu können. Bei der Registrierung der Ehe in Syrien sei er nicht zugegen gewesen; die Registrierung sei auch ausschließlich aufgrund mündlicher Angaben erfolgt.
Um eine obergerichtliche Entscheidung herbeizuführen und gestützt auf die Erwägung, dass sich vergleichbare Fälle häufen könnten, hat das beteiligte Standesamt gemäß § 53 Abs. 2 PStG am 6. April 2020 Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts eingelegt. Das Amtsgericht hat am 14. April 2020 einen Nichtabhilfebeschluss erlassen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Rechtsmittel des beteiligten Standesamtes ist als Beschwerde gemäß §§ 51 Abs. 1, 58 ff. FamFG statthaft und auch im übrigen zulässig. Insbesondere ist das beteiligte Standesamt auch beschwerdeberechtigt, denn gemäß § 53 Abs. 2 PStG können sowohl das Standesamt als auch die Aufsichtsbehörde unabhängig von einer Beschwer eine amtsgerichtliche Entscheidung der Überprüfung durch das Beschwerdegericht zuführen. Durch diese Regelung wollte der Gesetzgeber dem Standesamt und der Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnen, in schwierigen Fällen eine obergerichtliche Klärung herbeizuführ...