Leitsatz (amtlich)
Verbalaggressive Reaktionen in Ergänzungsgutachten auf berechtigte Kritik eines Rechtsanwalts können die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen begründen.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 02.09.2010) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsstellerin wird der Beschluss der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 2. September 2010 abgeändert.
Die Ablehnung des Sachverständigen Dr.-Ing. F. wegen der Besorgnis der Befangenheit wird für begründet erklärt.
Beschwerdewert: 6.700 Euro.
Gründe
I.
Die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sich diese gegen die Ablehnung ihres Antrages wendet, den Sachverständigen Dr.-Ing. F. wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist zulässig und begründet.
1.
Die Antragstellerin ist des Ablehnungsrechtes nicht gemäß den §§ 43, 406 ZPO verlustig gegangen. Sie hat nicht, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, Anträge gestellt.
2.
Ein Sachverständiger kann, wie vom Landgericht ausgeführt, gemäß § 406 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO wie ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Der Sachverständige ist als Gehilfe des Richters zur Objektivität und strengen Sachlichkeit verpflichtet. Für den hier geltend gemachten Ablehnungsgrund der Besorgnis der Befangenheit (§ 42 Abs. 2 ZPO) genügt jede Tatsache, die ein auch nur subjektives Misstrauen der ablehnenden Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann. Eine Befürchtung fehlender Unparteilichkeit kann berechtigt sein, wenn der Sachverständige seine gutachterlichen Äußerungen so gestaltet, dass sie als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einer Partei gedeutet werden können. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Sachverständige auf gegen sein Gutachten gerichtete Einwendungen und Vorhaltungen der anwaltlich vertretenen Partei unangemessen scharf und mit abwertenden Äußerungen über die Prozessbevollmächtigten reagiert.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts begründen die Ausführungen des Sachverständigen Dr.-Ing. F. in seinem Ergänzungsgutachten vom 18.12.2009 und in seinem weiteren Ergänzungsgutachten vom 7. 6.2010 in der Gesamtschau aus der Sicht einer verständigen Partei an Stelle der Antragstellerin die Besorgnis, dass der Sachverständige zu deren Lasten voreingenommen ist. Das Landgericht legt in dem angegriffenen Beschluss zu Grunde, dass sich der Sachverständige nach seinen eigenen Angaben durch die Stellungnahme der Antragstellerin zu seinem Hauptgutachten angegriffen gefühlt habe und dieser Stellungnahme in seinen Ergänzungsgutachten in sprachlich unausgewogener Form entgegengetreten sei. Da sich der Sachverständige aber in beiden Ergänzungsgutachten objektiv und sachlich mit den an ihn gestellten Fragen beschäftigt habe, ließen einzelne zu beanstandende Formulierungen, für deren Verwendung der Sachverständige nachträglich sachliche Gründe angegeben habe, ein Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit nicht gerechtfertigt erscheinen. Dem kann im Ergebnis nicht gefolgt werden.
Die Antragstellerin hat in ihrer Stellungnahme zum Hauptgutachten geltend gemacht (Bl. 184 GA), dieses sei "nicht verwertbar", da es die gestellte Frage nach den erforderlichen Mängelbeseitigungsmaßnahmen und deren Kosten "nicht im Ansatz" beantworte. Der Gutachter habe "seine eigene Feststellungspflicht nicht beachtet", sondern habe sich auf einen Verweis auf Kostenvoranschläge von Unternehmen beschränkt. Auf diesen in sachlicher Form vorgebrachten Vorwurf hat der Sachverständige persönlich betroffen und verbalaggressiv reagiert, indem er auf Seite 8 seines ersten Ergänzungsgutachtens (Bl. 234 GA) ausführt, der anwaltliche Vortrag der Antragstellerin stelle "in offensichtlicher Unkenntnis, wie sich Schätzkosten im vorliegenden Fall substantiiert ermitteln lassen, den untauglichen Versuch" dar, " die Arbeit des Sachverständigen in Misskredit zu bringen". Damit wird dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin fachliche Inkompetenz und ein unlauteres Vorgehen mangels sachlicher Argumente unterstellt. Diese Vorwürfe wiederholen sich auf den Seiten 15 und 16 des Ergänzungsgutachtens, wo den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin folgende Belehrung erteilt wird: "Der Sachverständige empfiehlt der anwaltlichen Vertretung der Antragstellerin sich mit den rechtlichen Folgen der Kostenproblematik rechtzeitig, intensiver und klar verständlich auseinander zu setzen" und ihnen erneut ein unlauteres Verhalten vorgeworfen wird, indem es heißt: "Erscheint es, dass die Antragstellerin je nach Lage des Verfahrens die Kosten höher oder tiefer erodiert". In der Gesamtschau mit der süffisanten Feststellung, die Antragstellerin verweise "vollmundig " darauf, bereits ein Abdichtungskonzept ausgeführt zu haben, während nur zur Abdichtung untaugliche Bohrlochinjektionen erfolgt seien und "meine wohl" die Übergabe einer Skizze sei als Grundlage für die gutachterliche Ermittlung von Sowieso-Kosten ausreichen...