Leitsatz (amtlich)
Ein von einem Ehepaar adoptierter Volljähriger ist nach seinen leiblichen Eltern und seinen Adoptiveltern erb- und pflichtteilsberechtigt, solange das Familiengericht nicht bestimmt, dass die Annahme (ausnahmsweise) die Wirkung einer Volladoption hat.
Normenkette
BGB §§ 1752, 1754, 1767, 1770, 1772
Verfahrensgang
AG Mülheim a.d. Ruhr (Beschluss vom 06.06.2011; Aktenzeichen 4 VI 491/11) |
Tenor
Das Rechtsmittel des Beteiligten wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 25.000 EUR
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind die Kinder aus der ersten Ehe der am 13.5.2011 verstorbenen Erblasserin mit K. Z..
Der Beteiligte zu 1 beantragte am 23.5.2011 einen ihn sowie die Beteiligten zu 2 und 3 als Erben zu 1/3 nach der Erblasserin ausweisenden Erbschein.
Das AG - Nachlassgericht - hat am 6.6.2011 dem Antrag entsprochen.
Hiergegen beschwert sich die Beteiligte zu 2 und macht geltend, der Beteiligte zu 1 sei nicht Erbe. Ausweislich des Beschlusses des AG Beckum vom 17.4.1984 habe sein Onkel, ihn an Kindes Statt angenommen. Deshalb sei der Beteiligte zu 1 Erbe erster Ordnung nach H. K., angesichts der "Volladoption" allerdings nicht mehr gesetzlicher Erbe erster Ordnung nach seinen leiblichen Eltern, also auch nicht nach der Erblasserin.
Die Beteiligte zu 2 beantragt, den Erbschein für kraftlos zu erklären und wegen offensichtlicher Unrichtigkeit einzuziehen.
Der Beteiligte zu 1 tritt dem entgegen und macht geltend, der Beschluss des AG Beckum vom 17.4.1984 betreffe eine Volljährigenadoption, die gem. § 1770 Abs. 2 BGB das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem angenommenen Beteiligten zu 1 und seinen Verwandten nicht berühre. Dass die Adoption mit den Wirkungen der Minderjährigenadoption bestimmt worden sei, lasse der Beschluss nicht erkennen.
Das AG - Rechtspfleger - hat mit Beschluss vom 23.11.2011 der Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, der Beschluss des AG Beckum vom 17.4.1984 lasse nicht zweifelsfrei erkennen, dass der Beteiligte zu 1 nach den Regeln der Adoption Minderjähriger habe adoptiert werden sollen. Dies hätte in dem Beschluss ausdrücklich ausgesprochen werden müssen, wenn diese Wirkungen gewollt gewesen wären. Demgemäß sei es bei einer Volljährigenadoption verblieben, bei der § 1755 a.F. BGB nicht zum Zuge komme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.1. Die Beschwerde ist gem. §§ 38, 58, 59 Abs. 1; 63; 352 Abs. 3 FamFG zulässig.
2. In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet. Ohne Erfolg wendet sich die Beteiligte zu 2 gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Einziehung, hilfsweise Kraftloserklärung des unter dem 6.6.2011 erteilten Erbscheins.
a) Das Nachlassgericht hat dem Erben auf Antrag ein Zeugnis über sein Erbrecht und, wenn er nur zu einem Teil der Erbschaft berufen ist, über die Größe des Erbteils zu erteilen, § 2353 BGB. Der Erbschein bezeugt demnach das Erbrecht zur Zeit des Erbfalles (Palandt/Weidlich BGB, 70. Aufl. 2011 § 2353 Rz. 2). Der Erbschein ist nur zu erteilen, wenn das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, § 2359 BGB. Ergibt sich, dass der erteilte Erbschein unrichtig ist, so hat ihn das Nachlassgericht einzuziehen, § 2361 BGB. Unrichtigkeit des erteilten Erbscheins liegt vor, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung entweder schon ursprünglich nicht gegeben waren oder nachträglich entfallen sind.
b) Die Beteiligte zu 2 begehrt zu Unrecht die Einziehung des vom AG - Nachlassgericht - am 6.6.2011 den Beteiligten zu 1 bis 3 als Erben nach der Erblasserin zu je 1/3 erteilten Erbscheines.
Soweit ausweislich des Beschlusses des AG Beckum vom 17.4.1984 sein Onkel den seinerzeit 30 Jahre alten Beteiligten zu 1 an Kindes Statt angenommen hat, ist der Beteiligte zu 1 nicht als gesetzlicher Erbe erster Ordnung nach seinen leiblichen Eltern (hier: der Erblasserin) ausgeschieden (§ 1755 BGB a.F. BGB).
aa) Die seit dem In-Kraft-Treten des Adoptionsgesetzes am 1.1.1977 erfolgte Adoption Minderjähriger und die auf Antrag und bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1772 BGB seither ausgesprochenen Adoptionen Volljähriger mit starker Wirkung haben grundsätzlich zur Folge, dass der Angenommene auch erbrechtlich in die neue Familie eingegliedert wird (§ 1754 BGB) und seine bisherigen Verwandtschaftsverhältnisse einschließlich des gegenseitigen Erb- und Pflichtteilsrechts erlöschen (§ 1755 BGB; Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung 4. Aufl. 2011 § 1 Rz. 77). Bei der Adoption Volljähriger ab 1.1.1977 mit schwacher Wirkung (§ 1770 BGB) entsteht dagegen nur ein gegenseitiges Erb- und Pflichtteilsrecht zwischen dem Annehmenden einerseits und dem Angenommenen und seinen sämtlichen Abkömmlingen anderseits. Der Angenommene wird nicht verwandt mit den Verwandten des ihn Adoptierenden (§ 1770 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Angenommene und seine Abkömmlinge behalten das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht gegenüber ihren leiblichen Verwandten (§ 1770 Abs. 2 BGB; Palandt/W...