Leitsatz (amtlich)
1. Zum Anspruch des Rechtsschutzversicherers, der für die Kläger eines Zivilrechtsstreits die von diesen zu tragenden Kosten des Verfahrens im Innenverhältnis übernommen hat, auf Einsicht in die Prozessakten zum Zwecke der Überprüfung eines gemäß § 86 VVG übergegangenen Regressanspruchs gegen die Prozessbevollmächtigten des Versicherungsnehmers in dem genannten Verfahren (hier vom Senat bejahtes Interesse mit Blick auf die Erforderlichkeit der erstrebten Kenntnis vom Akteninhalt zur Verfolgung eines nicht von vornherein ausgeschlossenen Regressanspruchs gegen die Verfahrensbevollmächtigten der Kläger).
2. Soweit der Vorstand des Gerichts schon das rechtliche Interesse verneint und deshalb (von seinem Standpunkt aus konsequent) die ihm nach § 299 Abs. 2 ZPO obliegende Ermessensentscheidung nicht getroffen hat, kann der Senat letztere nicht ersetzen, was zu einem Neubescheidungsausspruch führt.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, § 611; EGGVG §§ 23, 28 Abs. 3; VVG § 86; ZPO § 299 Abs. 2
Tenor
Der Bescheid des Beteiligten zu 2 vom 17. Dez. 2019 wird aufgehoben.
Der Beteiligte zu 2 wird angewiesen, den Antrag der Beteiligten zu 1 vom 12. April 2019 auf Gewährung von Akteneinsicht in die Verfahrensakte 3 O 255/17 LG Duisburg unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.
Geschäftswert: 5.000 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1 hat als Rechtsschutzversicherer für die Kläger des Verfahrens 3 O 255/17 LG Duisburg die von diesen zu tragenden Kosten des Rechtsstreits im Innenverhältnis übernommen. Sie hat bei dem Beteiligen zu 2 beantragt, ihr Einsicht in die Verfahrensakte zu gewähren, damit sie Regressansprüche gegen die Prozessbevollmächtigten ihrer Versicherungsnehmer in dem genannten Verfahren prüfen könne.
Der Beteiligte zu 2 hat die Parteien des Verfahrens angehört und mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf Akteneinsicht zurückgewiesen. Es fehle am berechtigten / rechtlichen Interesse der Beteiligten zu 1. Es genüge nicht das Interesse eines Dritten, durch die Akteneinsicht Tatsachen zu erfahren, die es ihm erleichterten, einen Anspruch geltend zu machen, der in keinem Bezug zu dem Prozessgegenstand stehe. Dies zumal die Kläger im Verfahren nicht unterlegen gewesen seien, sondern die Parteien einen Vergleich geschlossen hätten, weshalb nicht von einer objektiven Aussichtslosigkeit der Klage auszugehen sei.
Die Beteiligte zu 1 macht geltend, die objektive Aussichtslosigkeit der Klage sei nicht der Maßstab für eine Entscheidung nach § 299 Abs. 2 ZPO. Es könne sich auch aus dem weiteren prozessualen Verhalten ein Anhaltspunkt für Pflichtverletzungen ergeben. Nach dem Klageantrag sei eine Zahlung von 52.617,76 EUR (geleistet bis zum Darlehenswiderruf) Zug-um-Zug gegen Rückzahlung des Nettokreditbetrages von über 117.000 EUR verlangt worden. Weiter sei beantragt worden, nach Zahlung des vorstehenden Saldos ein Angebot auf Abtretung der Grundschuld abzugeben und festzustellen, dass Vorbehaltszahlungen zu erstatten seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei der Zahlungsantrag unzulässig gewesen, weil die Zug-um-Zug-Beantragung eine Aufrechnung enthalten habe. Die Streitwertfestsetzung von 230.000 EUR lasse zudem vermuten, dass die Grundschuld mit einbezogen worden sei. Für deren Geltendmachung habe allerdings kein Anlass bestanden, zudem sei der Feststellungsantrag unzulässig gewesen. Das Feststellungsinteresse sei nicht dargetan worden.
Der Beteiligte zu 2 hat an seiner Rechtsauffassung festgehalten und beanstandet, die Beteiligte zu 1 habe nicht einmal mitgeteilt, welche konkreten Aktenteile und aus welchem Grund sie sie einsehen wolle.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten Bezug genommen.
II. Der Antrag der Beteiligten zu 1 nach § 23 EGGVG ist statthaft - es entspricht inzwischen gesicherter Erkenntnis, dass eine Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch eines Dritten gemäß § 299 Abs. 2 ZPO, wie hier, einen Justizverwaltungsakt im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG darstellt (BGH NJW 2015, 1827 f) - und auch im übrigen zulässig; insbesondere sind die Antragsfrist von einem Monat (§ 26 Abs. 1 EGGVG) gewahrt und die Antragsbefugnis der Beteiligten zu 1 nicht zweifelhaft (§ 24 Abs. 1 EGGVG).
In der Sache hat der Antrag in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach § 299 Abs. 2 ZPO kann der Vorstand des mit dem Rechtsstreit befassten Gerichts ohne die Einwilligung der Parteien die Einsicht der Akten nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Ist nach der Auffassung des Gerichtsvorstands ein rechtliches Interesse des die Akteneinsicht Begehrenden glaubhaft gemacht, steht die Gewährung der Akteneinsicht im pflichtgemäßem Ermessen des Gerichtsvorstands (Münchener Kommentar zur ZPO-Prütting, 5. Auflage 2013, § 299 Rn. 23; OLG Frankfurt, Beschluss vom 1. Febr. 2007 - 20 VA 13+14/06 mit weiteren Nachweisen). Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ist zu prüfen, ob durch die Kenntnisnahme Dritter schutzwürdige Interessen der Parteie...