Verfahrensgang

LG Wuppertal (Beschluss vom 24.04.2006; Aktenzeichen 5 O 28/06)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 24.4.2006 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 6.4.2004 abgeändert.

Der Klägerin wird zur Durchführung der am 21.2.2006 beim LG eingereichten Klage Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... in ... bewilligt. Raten werden nicht erhoben. Die Bewilligung gilt ab Antragstellung.

Der Beschwerdewert wird auf bis zu 35.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sowie fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie sich dagegen wendet, dass das LG ihren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gerichteten Antrag für die von ihr am 21.2.2006 beim LG eingereichte Vollstreckungsgegenklage zurückgewiesen hat, hat Erfolg. Auf ihre sofortige Beschwerde ist der Klägerin Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Die Voraussetzungen, unter denen einer Partei für die beabsichtigte Rechtsverfolgung gem. §§ 114 ff. ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, liegen vor.

1. Die von der Klägerin erhobene Vollstreckungsklage (§ 767 ZPO) hat entgegen der Auffassung des LG hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. ... in ... vom 28.3.2000 ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand unzulässig. Denn die von der Klägerin in der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde des Notars Dr. ... in ... vom 28.3.2000 übernommene persönliche Haftung verstößt gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) und ist deshalb nichtig. Sie überforderte die Klägerin finanziell in krasser Weise, ohne dass sich für die Beklagte berechtigte entlastende Umstände anführen lassen.

a) Die Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht echte Mitdarlehensnehmerin, sondern nur Mithaftende.

Die Qualifizierung der von der Klägerin übernommenen Verpflichtung als Darlehensschuld oder als Beitrittsschuld ist davon abhängig, ob die Klägerin als gleichberechtigte Vertragspartnerin neben ihrem damaligen Ehemann einen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta hatte und deshalb gleichgründig zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sein sollte, oder ob sie aus dem Darlehensvertrag selbst keine Rechte erwerben, sondern der Beklagten nur zu Sicherungszwecken haften sollte.

Maßgebend für die Abgrenzung zwischen der Begründung einer echten Mitdarlehensnehmerschaft und einer Mithaftungsübernahme des Kreditgebers ist die von den Vertragsparteien tatsächlich gewollte Rechtsfolge (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 924; NJW 2005, 973, 975). Die Privatautonomie schließt in den Grenzen der §§ 134 und 135 BGB die Freiheit der Wahl der Rechtsfolgen und damit des vereinbarten Vertragstyps ein, umfasst allerdings nicht die Freiheit zu dessen beliebiger rechtlicher Qualifikation (BGH, NJW-RR 2004, 924; NJW 2005, 973, 974). Die kreditgebende Bank hat es deshalb nicht in der Hand, durch eine im Darlehensvertrag einseitig gewählte Formulierung wie "Mitdarlehensnehmer", "Mitantragsteller", "Mitschuldner" oder dergleichen einen materiell-rechtlich bloß Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den weit reichenden Nichtigkeitsfolgen des § 138 BGB zu entgehen (vgl. BGH, NJW 2002, 744; NJW 2002, 2705 f., NJW-RR 2004, 924; NJW 2005, 973). Maßgeblich ist vielmehr der wirkliche Parteiwille bei Abschluss des Darlehensvertrags. Dieser ist in Streitfällen im Wege der Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Zu den anerkannten Auslegungssätzen gehören dabei die Maßgeblichkeit des Vertragswortlauts als Ausgangspunkt jeder Auslegung und die Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 924; NJW 2005, 973, 974).

Zwar spricht hier der Wortlaut des Darlehensvertrages vom 30.3.2000 für eine echte Mitvertragspartnerschaft der Klägerin. Sie ist im Kreditvertrag ebenso wie ihr damaliger Ehemann als "Darlehensnehmer" bezeichnet. Eine Vertragsauslegung kann aber zu einem vom Wortlaut abweichenden Ergebnis gelangen, wenn sich ein dies rechtfertigender übereinstimmender Wille der Vertragspartner feststellen lässt (vgl. BGH, NJW 2005, 973, 974). Überdies ist dem Wortlaut angesichts der Stärke der Verhandlungsposition der kreditgebenden Bank und der Verwendung von Vertragsformularen in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich weniger Bedeutung beizumessen als sonst (vgl. BGH, NJW 2005, 973, 974). Nach der Rechtsprechung des BGH ist als echter Mitdarlehensnehmer daher ungeachtet der Vertragsbezeichnung in aller Regel nur derjenige anzusehen, der für den Darlehensgeber erkennbar ein eigenes sachliches und/oder persönliches Interesse an der Kreditaufnahme hat sowie als im Wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung bzw. Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf (vgl. BGHZ 146, 37, 41 = NJW 2001, 815; BGH, NJW 1999, 135; NJW 2002, 744; NJW 2002, 2705; NJW-RR 2004, 924; NJW 2005, 973, 974).

Beides ist hier nicht feststellbar. Die Kreditaufnahme über 140.000 D...

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